Jahresrückblick auf 2020 von TKKG

Da es so viel zu tun gibt und wir viel davon anpacken und auch 2020 wieder sehr aktiv waren, bieten wir hier einen subjektiven Jahresrückblick von dem, was an Klimakämpfen in Kiel und Schleswig-Holstein passiert ist und was uns im Jahr 2020 bewegt hat, nicht chronologisch, sondern thematisch sortiert, damit das Lesen mehr Spaß macht. Manchmal mischen wir dabei Sachen, die wir als TurboKlimaKampfGruppe gemacht haben und Sachen, die von anderer Seite passiert sind – und manchmal ist das gar nicht so klar trennbar weil wir eben auch gern und viel mit anderen zusammen arbeiten. Wichtig ist uns, dass etwas passiert, nicht von wem, Hauptsache radikal, entschlossen und mit viel Spaß gegen Klimakrise und Kapitalismus.

Verkehr

Das Thema Verkehr war im letzten Jahr wohl der Hauptschwerpunkt unserer Aktivitäten, zu Recht, weil dort die Klimaungerechtigkeit besonders starkt zu sehen ist und der CO2-Ausstoß weiter ansteigt. Wir haben ganzjährig mitgemischt im Bündnis Vorfahrt für den Klimagürtel, von dort wurden verschiedene Aktionen gegen die Südspange und den Bau der A21 gestartet. Dort aktive Gruppen haben Ausstellungen, Banneraktionen und eine Wochenend-Baumbesetzung organisiert. Wir haben beigetragen im April mit einer Fahrraddemo gegen die A21 und im August mit der Blockade der B404 unter dem Motto „Kleingärten statt Autobahnen“, die für schöne Bilder mit auf der Straße platzierten Hochbeeten und für viel Gesprächsstoff in der Stadt sorgte. Diskutiert wurde, ob die Autofahrer*innen eine Gefahr darstellen oder die radikalen Ökos.

Einen Monat später, als wir gerade lokal beim Parking Day mithalfen, ploppte die Diskussion um die Verkehrswende im Zusammenhang mit den Rodungen im Dannenröder Wald in den öffentlichen Diskurs. Dort musste uralter Wald für eine neue Autobahntrasse weichen. Die Räumungen der zahlreichen Baumhausdörfer dauerten zwei Monate, immer wieder Grund für Soli-Aktionen auch in Kiel und leider auch einen Artikel über Polizeigewalt und polizeiliche Falschmeldungen. In Flensburg wurde im Bahnhofswald aus Solidarität eine Baumbesetzung am Bahnhofswald begonnen, die den Wald vor Rodung für Hotel und Parkhaus schützen soll.

Weil Menschen aus Solidarität mit den Verteidiger*innen des Dannenroder Waldes mehrere Autobahnen durch Abseilaktionen blockiert hatten und einige dafür in Untersuchungshaft landeten, war das Ende November Grund für eine bundesweit koordinierte gemeinsame Abseilaktion an sieben verschiedenen Autobahnstellen, bei uns in Schleswig über der A7. Für Fahrrad fahr’n statt Autobahn wollten wir am 12.12 anlässlich des 5. Jahrestags des Pariser Klimaabkommens deswegen auch auf der Autobahn demonstrieren. Die Gerichte haben uns einen Strich durch die Rechnung gemacht, unsere Klage dagegen hat aber fast noch mehr Aufmerksamkeit gebracht. Letztlich sind wir mit etwa 250 Leuten vom Hbf bis zu den Absauganlagen am THR gefahren.

Während dem Organisieren, Planen, Demonstrieren mussten wir uns parallel mit den Auswirkungen der Theodor-Heuss-Ring-Blockade vom letzten Jahr beschäftigen und konnten uns da Mitte des Jahres freuen, dass die Bußgeldverfahren wegen eines Formfehlers gegen alle, die Widerspruch eingelegt hatten, eingestellt wurden. Leider läuft noch ein Prozess gegen eine Person, der im Rahmen der Blockade vorgeworfen wurde Widerstand geleistet zu haben, in erster Instanz wurde sie verurteilt. Das rechtswidrige Verhalten der Polizei ihr gegenüber ist zwar klar, spielte aber keine Rolle. Mit der Berufung werden wir uns im nächsten Jahr beschäftigen müssen. Insofern helfen da auch die Spenden, die für die Problemring-Blockade bei Soli-Brunch und Soli-Küfa Anfang des Jahres gesammelt werden konnten. Die nächsten Strafverfahren wegen der Bundestraßen- und Autobahnblockaden sind schon angedroht, sodass wir uns weiter über Unterstützung freuen.

Kreuzfahrt

Auch beim Thema Kreuzfahrt mussten wir uns zunächst mit den Auswirkungen der letzten Saison beschäftigen: Ein Verfahren wegen Beleidigung eines Security-Angestellten des Kieler Hafens wegen der Sprengung einer angemeldeten Kleinkundgebung gegen Kreuzfahrten letztes Jahr wurde nach drei Verhandlungstagen, die dem Gericht wohl in Erinnerung bleiben werden, gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Die bei der Smash Cruiseshit Aktion beschlagnahmten Boote konnten wir vom Gerichtsvollzieher zurück kaufen, was nichts an der Unverschämtheit von Staatsanwaltschaft und Gericht ändert, die gegen Einverständnis der Besitzer*innen einfach zu verwerten, aber zumindest Menschen half, ihre Boote zurück zu bekommen.

Die Boote wurden dann gleich für eine Land-Wasser-Demo im September genutzt. Bei dieser Demo warteten zahlreiche Polizeieinsatzkräfte inklusive Taucher*innen sowie Pressevertreter*innen auf eine erneute Blockade des liegenden Kreuzfahrtschiffes. Uns doch egal, wir erfüllen nicht alle Erwartungen. Auf Grund des Brandes und katastrophale Zustände im Flüchtlingslager auf Moria hatten wir die Demonstration sowieso kurzfristig in eine Demonstration für sichere Häfen umgewidmet.

Da die Kreuzfahrten direkt zu Beginn der Saison auf Grund der Corona-Pandemie eingestellt wurden (was uns durchaus entgegen kam), verteilten wir nur hin und wieder Flyer an die Passagier*innen, als die Kreuzfahrten im Herbst wieder starteten, selbstverständlich zusätzlich zu den sonstigen gravierenden Nebenwirkungen auch mit zusätzlichen Corona-Risiken. Kurz vorm Start gelang es uns im Juli noch eine etwas größere Kundgebung mit Rave auf dem Ostseekai mit anderen Gruppen wie FFF und Extinction Rebellion zusammen zu organisieren, wo jede Person einzeln in ihrem 2x2m-Quadrat tanzen  durfte (aka „tanzen verboten, bewegen erlaubt“).

Zu den Aktionstagen Aufstand mit Abstand hängten wir im August an der Kiellinie noch mit einer Kleingruppe ein Banner auf und konnten ein paar Flugblätter verteilen, von denen wir für die nächste Saison aber auch noch genug in Reserve haben.

Energie

Die Nutzung von fossilen Energien wie Gas und Kohle gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Dennoch wurde im Januar das „neue und innovative“ Küstengaskraftwerk am Ostufer in Betrieb genommen. Die „Klimatadt Kiel“ setzt also sogar noch vermehrt auf dreckiges Erdgas. Es gab, von städtischer Seite, eine Einweihungsfeier der hohen Herren. Es gab eine eigene Einweihungsparty vor den Toren des Kraftwerks gemacht, mit Sekt, Satire und ohne Kaviar.

Gegen ein neues LNG-Terminal zum Import und Nutzung von Flüssiggas richtete sich eine mehrtägige Besetzung der noch leeren Bauplatzfläche im Juni in Brunsbüttel, idyllisch zwischen Müllverbrennungsanlage, Chemiefabrik und Atomkraftwerk gelegen. Da das alles sehr entspannt ablief, blieb Zeit für Austausch und Workshops. Leider ist der Neubau des Terminal weiterhin im Gespräch, muss also wohl auch weiterhin Ziel unserer Aktionen sein.

Auch um die Kohle wurde es nicht still. Zur Verabschiedung des Kohleverlängerungsgesetz, was den weiteren Betrieb von Kohlekraftwerken und Abbau von Braunkohle sicher stellt im Sommer gab es eine Demo von Fridays for future, aber auch Fahdnungsplakate in der Stadt, die nach RWE-Managern suchten. Im Herbst ging es dann auch für einige aus Kiel Richtung Rheinland, zu Ende Gelände mit vielen verschiedenen Camps und Corona-Konzept, trotzdem aber gemeinsam gegen Braunkohle und Gasinfrastruktur.

Landwirtschaft und Tierbefreiung

Das Unternehmen Tönnies beschäftigte in diesem Jahr nicht nur Klima- und Tierbefreiungskaktivistis sondern die breite Öffentlichkeit, als es zu mehreren großen Corona-Ausbrüchen in Schlachthöfen kam. Da standen die Arbeitsrechte dann auf der Tagesordnung, sodass wir gemeinsam mit chefduzen dann auch für bessere Arbeitsbedingungen dort demonstrierten. Derweil setzt Tönnies die Aktivistis der letzten Schlachthofblockade dort durch hohe Schadensersatzforderungen unter Druck, zu denen es jetzt eine Kampagne gibt. In Kellinghusen fand eine Demonstration statt. Im Herbst zeigte dann eine erneute Blockade des Schlachthofes, dass die Einschüchterungstaktik nicht aufgeht.

Polizeigesetz

Ende des Jahres 2019 kam heraus, dass auch die Regierung in Schleswig-Holstein eine Polizeirechtsverschärfung plant, inklusive Einführung von Tasern, Fußfesseln, Aufenthaltsgeboten und Meldeauflagen, mehr Kontrollen und Datenspeicherungen. Noch mehr Rechte für die Polizei, die uns sowieso schon ständig drangsaliert wollen wir nicht und beteiligten uns von Anfang an dem Bündnis gegen die Verschärfungen. Anfang März organisierten wir zusammen mit der Roten Hilfe einen Infoabend zum Polizeigesetz, der auch gleich für einen Eklat an der Uni sorgte, die Veranstaltungen mit der Roten Hilfe auf Anregung der AfD keine Räume mehr zur Verfügung stellen will. Mitte März organisierten wir eine Aktionsralley zum Polizeigesetz, in Kleingruppen ging es mit sehr viel Spaß los zu Parteibüros und Polizeistationen. Eine Demo Ende März musste coronabedingt ausfallen. Vor der ersten Lesung im Landtag demonstrierten wir gemeinsam mit 500 anderen gegen die Gesetzesverschärfungen für Freiheit. Am Tag der Lesung selbst gab es noch eine kleine Kundgebung vorm Landtag.

Corona

Um die Verteidigung unserer Freiheiten ging es auch bei unserer ersten Demonstration unter Corona-Einfluss, vor allem ging es darum unser Recht auf Demonstrationsfreiheit zu erkämpfen, mit Abstand und Schildern, aber auch darum Solidarität statt Grundrechtseinschränkungen zu üben. Leider wurde das Thema später von Verschwörungsmythen-Erzähler*innen und rechten Gruppen besetzt, mit denen zusammen wir natürlich nicht auf die Straße gingen, sondern die Demonstrationen anfangs kritisch begleiteten und versuchten mit Teilnehmenden zu diskutieren. Denn mit Nazis zusammen lässt sich keine Freiheit erkämpfen. Als später sich immer mehr herauskristallisierte, dass dort Menschen nicht zufällig, sondern aus Überzeugung mit Nazis und Antisemit*innen demonstrieren, ging es explizit gegen diese Menschen, Ende des Jahres auch mit Blockaden von deren Protesten, die auch durch die gegen uns angewandte Polizeigewalt an Konfrontationen bei Naziaufmärschen erinnerten.

Das Demonstrationen zu vielen Themen verhindert wurden durch die Corona-Pandemie griffen wir mit einem Schilderwald auf, bei dem entlang einer bestimmten Strecke alle mit Schildern und viel Abstand für ihre jeweiligen Themen demonstierten.

Weiter bezeichnend war die Situation in den Geflüchtetenlagern, gerade in Griechenland. Abstand halten ist in den überfüllten Lagern vollkommen unmöglich. So forderten wir gemeinsam mit der Seebrücke Kiel und vielen anderen die Evakuierung der Lager unter dem Motto „Leave no One Behind“ mit Demonstrationen am 18.4. und 23.5. – leider nicht erfolgreich, sodass sich die Situation dort immer weiter verschlimmert. Ein Graffiti „Grenzen töten“ wurde schnell wieder von der Stadt entfernt. Die Hilflosigkeit gegen diese sichtbar menschenverachtende europäische Politik fühlt sich bei uns hier besonders groß an.

Bildung

Die Corona-Pandemie hat viele unserer geplanter Veranstaltungen einen Strich durch die Rechnung gemacht. Im Sommer konnten wir aber dennoch einen Film über Hausbesetzungen in Kiel draußen im Garten nachholen und ebenfalls draußen fand ein Aktionstanzworkshop statt, der mit einer tollen Abschlusschoreografie gegens neue Polizeigesetz endete.
Dafür haben wir aber mal geschafft uns kritisch mit unserem Namen auseinander zu setzen, weil die Kinderbuchserie TKKG schon echt viele rassistische, sexistische, lookistische Stereotype bedient und dazu einige Beiträge verfasst.

Sonstiges

Was auch nicht verschwiegen werden soll, ist dass es Anfang des Jahres in Kiel tatsächlich mal wieder eine Hausbesetzung gab. Projekt Andy besetzte über einige Zeit eine Vonovia-Villa und verschönerte diese. Leider gab es danach auch drei Hausdurchsuchungen, bei denen auch wir versuchten, den Betroffenen solidarisch zur Seite zu stehen.

Nachtrag:

In den Verfassungsschutzbericht geschafft haben es als politische Straftaten die Blockade des Problemrings und des Kreuzfahrtschiffes und es gibt eine längere Abhandlung über die Paraole „System Change not Climate Change“. Hier nochmal der Hinweis: System Change heißt insbesondere, dass das Stoppen der Klimakrise und ökologischer Wandel mit Kapitalismus nicht machbar sind. Wir brauchen also eine Überwindung des Kapitalismus und der Institutionen die sie schützen.