Stellungnahme TKKG zum Verfassungsschutzbericht SH – Klimaschutz ist kein Verbrechen

Gestern, am 04.05., wurde der Verfassungsschutzbericht für Schleswig-Holstein veröffentlicht. Darin tauchen auch wir, die Klimagruppe TKKG, auf und werden als „linksextremistische Organisation“ eingeordnet. Wir wenden uns entschieden gegen diesen Kriminalisierungsversuch, denn Klimaschutz ist kein Verbrechen.

Der Verfassungsschutz SH folgt damit dem Vorbild aus NRW und Berlin. In Berlin wurde bereits 2020 die Ende Gelände Ortsgruppe als linksextremistisch kriminalisiert. In  NRW finden seit mehreren Jahren die Waldbesetzer*innen aus dem Hambacher Forst Erwähnung im Verfassungsschutzbericht. Was wir mit diesen Gruppen gemeinsam haben? Wir setzen uns als Teil einer vielfältigen Bewegung für ein Leben ein, in dem wir saubere Luft atmen, sauberes Wasser trinken und in dem auch kommende Generationen eine intakte Umwelt haben. 

Kiel wurde bereits 1995 zur Klimaschutzstadt erklärt – wirksamer Klimaschutz wurde seitdem nicht umgesetzt. Kreuzfahrtschiffe fahren weiterhin, die Abgas-Belastung ist hoch und wertvolle Kleingärten wurden an Möbel Höffner zur Zerstörung verkauft. [HIER stand mal was anti-semitisches, dass wir rausgelöscht haben. Erklärung unten.] Auch die Bundesregierung versäumt ihre Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen sträflich, wie das jüngste Urteil vom Bundesverfassungsgericht gezeigt hat.

Mit unseren Aktionen greifen wir direkt in diese Zerstörung ein und zeigen, was stattdessen möglich wäre. Uns wäre es natürlich auch lieber, wenn kooperative Gespräche ausreichend wären, aber angesichts dessen, wie mit unserer Umwelt und weniger privilegierten Menschen umgegangen wird, reicht das eben nicht. Indem wir im August 2020 die B404 blockierten und die Fahrbahn mit blühenden Hochbeeten schmückten, haben wir gezeigt, was alles noch heute entstehen kann, wenn die Asphaltwüsten weichen.

Wir setzen uns ein für ein Leben, in dem niemand um seine Wohnung oder seine soziale Existenz fürchten muss. Ein Leben, in dem niemand ausgebeutet, diskriminiert und erniedrigt wird. Auch das wird vom Verfassungsschutz kriminalisiert. Deswegen verwundert es nicht, dass auch die AutonomeAntifaKoordinationKiel, die Interventionistische Linke, Perspektive Solidarität Kiel und das Bündnis gegen das neue Polizeigesetz in SH in dem Bericht auftauchen. Dass wir im Verfassungsschutzbericht gelandet sind, sagt mehr über den Verfassungsschutz aus, als über die Gruppen, die drin stehen.

Der Verfassungsschutz ist bekannt für seine engen Verwicklungen in die rechte Szene. Bei seiner Gründung wurde er von Nazis geführt. Personelle und inhaltliche Kontinuitäten und seine Ausrichtung als autoritätsgläubiger Geheimdienst sorgen auch heute noch dafür, dass er auf dem rechten Auge blind ist oder sogar mitmischt. Gerade die Vernichtung von Akten und die Anwesenheit einer V-Person bei einem rassistischen Mord des NSU zeigen das eindrücklich. Für den Verfassungsschutz steht in der Regel der Feind links. So wird auch im Verfassungsschutzbericht von 2019 zwar die Rote Hilfe erwähnt, die sich gegen staatliche Übergriffe auf linke Politik zur Wehr setzt, nicht aber die auch innerhalb von Polizei und Bundeswehr bestehenden rechtsextremen Netzwerke, die sich aktiv auf einen Umsturz und die Ermordung ihrer Gegner*innen vorbereiten. Der neue Chef des Bundesverfassungsschutzes forderte 2018 nicht etwa, auf die rassistischen Menschenjagden in Chemnitz einzugehen, sondern auf die Menschen, die den Hambacher Forst gegen die Rodung verteidigten. Der alte Chef zeigt inzwischen offen seine Nähe zur AfD. Die AfD taucht in Schleswig-Holstein nicht im Verfassungsschutzbericht auf, auch wenn ihre Ausrichtung eindeutig verfassungsfeindlich ist (wie dieser Bericht belegt, in dem sich u.a. Zitate der AfD SH finden, welche den Holocaust relativieren).

Damit dürfte klar sein, wem mensch die Beurteilung von Gruppen überlässt, wenn mensch sich auf den Verfassungsschutz verlässt. Wir werten unser Auftauchen im Bericht als Versuch, Engagement für ein besseres Leben auf einem intakten Planeten zu kriminalisieren. Wir werden weiter gegen diese Zerstörung kämpfen und erklären uns dabei solidarisch mit anderen Gruppen aus SH, deren Einsatz für ein besseres Leben ebenfalls vom Verfassungsschutz als „extremistisch“ gebrandmarkt wird. Extremistisch sind nicht wir, sondern diejenigen, die denken, wir könnten einfach so weitermachen.

Verfassungsschutzbericht Schleswig-Holstein 2020

Juni 2020, Offener Brief an die  Uni Kiel anlässlich eines Veranstaltungsverbots, welches mit Verfassungsschutzberichten begründet wurde

Erklärung zum anti-semitischen Wort. Zur Erklärung wird das oben entfernte Wort hier wiederholt: In der ersten Stellungnahme hatten wir von „verschachert“ gesprochen. Eine aufmerksame lesende Person hat uns zum Glück darauf aufmerksam gemacht. Danke dafür – wir sind offen für solches Feedback und lernen gerne dazu!

Da ja vielleicht auch anderen die Wortbedeutung unbekannt ist, hier noch ein Artikel aus der TAZ, der das Problem damit ganz gut erklärt:

„Ähnlich das Verb schachern. Auch das liest man oft. Geschacher um Ministerposten, gemeint ist dann übles, feilschendes Geschäftemachen. Das Wort geht zurück auf das jiddische sachern. Es ist wie bei der Mischpoke: Sachern bedeutet im Jiddischen ganz einfach Handel treiben, ohne jeden abwertenden Unterton. Ohne den düsteren Beiklang. Abwertend wird es erst im deutschen Gebrauch als Lehnwort. Die deutsche Sprache macht daraus „handeln wie ein Jude“ – und meint etwas Negatives.

„Welches ist das weltliche Bedürfnis des Judentums?“, hat Karl Marx in seiner Schrift „Zur Judenfrage“ 1844 gefragt. „Das praktische Bedürfnis, der Eigennutz. Welches ist die weltliche Kultur des Juden? Der Schacher. Welches ist sein weltlicher Gott? Das Geld.“ Marx entstammte selbst einer Rabbinerfamilie, auch wenn sein Vater mitsamt der Familie zum Protestantismus übergetreten war, als Marx zwei Jahre alt war. Aber schon diese wenigen Zeilen, die Marx als 26-Jähriger verfasste, zeigen die abfällige, judenfeindliche Stoßrichtung, die im Rest dieses Textes nicht besser wird.

Durch die Verwendung der judenfeindlichen Vokabel schachern unterstrich der Nicht-mehr-Jude gewissermaßen seine Glaubwürdigkeit. Wer auch so abfällig gegenüber Juden klingen möchte, kann das Wort gerne verwenden. Wer die Geschichte des Wortes aber kennt – so wie auch die der anderen Jiddismen, mit denen sich die deutsche Sprache historisch über Jüdinnen und Juden erhoben hat –, der lässt es besser bleiben.“