Der Fall der Patrioten – ein Trauerspiel in zwei Akten

Akt Eins: Nordhastedt, Samstag Nachmittag
Rund 100 Antifaschist*innen haben sich vor der Gaststätte „Zum Alten Bahnhof“ zusammen gefunden. „Alle zusammen gegen den Faschismus“ rufen sie. Der Gastwirt – selbst AfD-Mitglied – schmeißt eine kleine Naziparty im angeschlossenen Biergarten. Die 5-6 Gäste knabbern an Aufbackbrötchen und halb verbrannten Würstchen. Einer trägt ein Emblem einer rechtsradikalen Partei, ein Anderer eine Mütze mit der Aufschrift „1871“ – dem Gründungsjahr des Deutschen Kaiserreiches. Hier wird heute kein „Ball der Patrioten“ stattfinden. Nur wenige Meter weiter feiert „Nordhastedt ist bunt“ ein fröhliches Sommerfest mit mehreren hundert Menschen.
Auch die Stimmung vorm „Alten Bahnhof“ ist gut. In kämpferischen Reden werden die Verbindungen der Location, Junger Alternative und AfD in Schleswig-Holstein aufgezeigt. Eine weitere widment sich dem Abschiebegefängnis in Glückstadt und der Demo gegen dieses am 25.05. „Ihr seid doch alle gekauft!“, ruft jemand von der anderen Straßenseite rüber. Alle lachen. Am frühen Abend verdichten sich dann die Hinweise, dass der Ball in Schleswig stattfindet. Gegen 18:30 Uhr ist man sich so sicher, dass die Demo beendet wird und die Menschen sich auf machen nach Schleswig.

Akt Zwei: Schleswig Samstag Abend
Rund eine Stunde später treffen die ersten Antifas in Schleswig ein. „Sexistisch, rassistisch, neoliberal – AfD, Partei für’s  Kapital!“ hallt es von den Hauswänden der Seitenstraße. Die vielleicht zehn AfDler*innen vor dem „Point of Music“ wirken verdattert. Mit ihren schlecht sitzenden Anzügen und überdimensionierten Zigarren wirken sie mehr, wie eine Parodie auf sich selbst. Ein älterer Herr gibt sich verdutzt, warum denn gegen sie demonstriert wird. Da sind die ersten sexistischen und rassistischen Kommentare schon gefallen.
Tatsächlich sind auffallend viele alte Menschen da – für die Veranstaltung einer Jugendorganisation. Der Altersdurchschnitt muss jenseits der 40 liegen. Das geistige Alter der ewig Gestriegen dürfte sich noch deutlich darüber befinden. Ein verloren wirkender Pizzabote bringt seine Lieferung vorbei. Vom edlen Spanferkel ist nichts zu sehen.
Immer mehr Antifas treffen ein. Schließlich sind es um die 50. Die Situation ist angespannt. Die Rechten zücken Teleskopschlagstöcke. Eine Person trägt Quarzhandschuhe. Nachzügler des Balls kommen kaum noch zum Veranstaltungsort durch, der Bundestagsabgeordnete Gereon Bollmann, ebenfalls eindeutig keine AfD ‚Jugend‘ mehr, hat es laut Presse gar nicht geschafft zum Ball zu gelangen. Da ist auch schon wieder eine halbe Stunde vergangen. Ein AfDler ruft in sein Handy: „Wir stehen hier und es ist immer noch keine Polizei da!“ Lachen auf der Seite der Gegendemo. 
Es soll weitere 15 Minuten dauern bis die Polizei eintrifft. Auf eine Streife hatte man verzichtet – es kommt direkt die Hundertschaft. Anscheinend hatte bei der Polzei Schleswig niemand das Bedürfnis sich zwischen Antifa und Faschos zu stellen. In voller Montur stellen sich die Beamt*innen zwischen die Lager. Später werden sie von Cops verstärkt, deren Ausrüstung irgendwo zwischen Iron Man und Ninja Turtles rangieren. Man scheint für den Abend die letzten Reserven mobilisiert zu haben. Die Rechten ziehen sich nach und nach ins innere des Veranstaltungsortes zurück. Neben angereisten Antifas sind inzwischen auch einige Anwohner*innen dazu gekommen. Zusammen ruft man: „Ganz Schleswig hasst die AfD!“ und „Siamo tutti antifascisti!“
Gegen 22 Uhr löst sich der Gegenprotest langsam auf und die Antifaschist*innen treten ihre Heimreisen an. Vom Abend bleiben zwei traurige AfD-Veranstaltungen, die beide ziemlich ins Wasser gefallen sind, eine solide antifaschistische Mobilisierung auch außerhalb der großen Städte und gleichermaßen bunte, mobile wie militante Proteste gegen die AfD.