Wir waren heute auf dem Exerzierplatz, wo die Kieler Corona-Verharmloser*innen und Leugner*innen von Querdenken sich wie schon seit Wochen jeden Donnerstag zum Auftakt ihres Protests getroffen haben. Wir haben uns mit einem Transpi und ein paar Schildern am Rande des Platzes gegen sie positioniert und mit dem Megafon erklärt, warum wir uns gegen sie stellen und wurden dafür sexistisch beschimpft und bepöbelt. Hier unsere Rede:
Auch wenn ihr uns noch so viel Liebe sendet, steht ihr doch gemeinsam da mit Neonazis und anderen Rechten. Menschen, die gerne Flüchtlinge an Grenzen erschießen würden, Menschen die den Holocaust leugnen oder relativieren. Das hat nichts mit Liebe zu tun. Schließt die Menschenfeinde aus, dann können wir reden.
Ihr seid doch alle friedlich? Nein, es hat mit friedlich nichts zu tun, sich selbst und andere bewusst anzustecken. Es hat mit friedlich nichts zu tun, eine Flasche auf uns zu werfen – wie vor zwei Wochen.Es ist nicht friedlich Menschen ins Krankenhaus zu prügeln – wie am Montag in Flensburg.
Ihr demonstriert für Zusammenhalt gemeinsam mit Antisemit*innen. Merkt ihr nicht wie widersinnig das ist?
Eure wöchentlichen „Lichtermärsche“ sind rechtsoffen, so beteiligten sich zuletzt auch bekannte Neonazis wie Peter von der Born ungestört. Ein Blick in die Telegram-Gruppe ‚Kiel steht auf‘ offenbart, dass dieser bei euch im Gegenteil sogar sehr wilkommen ist und seine fragwürdigen Beiträge viel Zuspruch und so gut wie nie Kritik bekommen. So markierten mehr als zehn Gruppenmitglieder einen Beitrag, in dem er sich gegenüber der Antifa als Opfer inszenierte mit Herzen und Beifall. Dabei stört es die „friedlichen“ und „freiheitsliebenden“ Querdenker*innen offenbar wenig, dass er schon lange zum festen Kern der Kieler Naziszene gehört und lange unter anderem bei der rechtsextremen ‚NPD‘ aktiv war.
Das ist aber nicht weiter verwunderlich, denn auch Inhalte von anderen, unbekannten oder anonymen Mitgliedern der Gruppe offenbaren sehr deutlich, dass es euch ‚Spaziergänger*innen‘ herzlich egal ist, ihr euch sogar darüber freut, dass Nazis bei euch mitlaufen. So wurde ebenfalls vergangene Woche ein Bild von einem Menschen mit Demoschild gepostet, darauf steht : „Wenn es hier wirklich einen Nazi gibt, (ich habe noch keinen gesehen) dann ist es uns gelungen, dass ein Nazi für Frieden und Liebe auf die Straße geht. Das habt ihr mit eurer Gewalt und eurem Hass in vierzig Jahren nicht geschafft.“ Auch dieser Beitrag erhielt viel Zuspruch und keinerlei Widerrede.
Mit Nazis zusammen kann man nicht für Freiheit und Frieden kämpfen – es geht ihnen auch gar nicht darum. Wiederum ein Zitat aus der Telegram-Gruppe : „Oder glaubst du ernsthaft, dass es damit getan ist, wenn die Impfpflicht aufgehoben ist ? Es geht um das komplette System. (…) Wir dürfen nicht locker lassen, das wäre ein fataler Fehler. Oder willst du in einer kommunistischen Diktatur leben ?“.
Während an dieser Stelle also der derzeitigen Bundesregierung ein Hang zur kommunistischen Diktatur attestiert wird, werden an andere Stelle paradoxerweise Antifaschist*innen mit der faschistischen SA und SS, den Hitler dienenden Herrschafts- und Unterdrückungsorganisationen verglichen sowie als ‚Zecken‘ und ‚Bastarde‘ bezeichnet. Auch die Teilnehmenden der von der kurdischen Gemeinde organisierten Demonstration zur Befreiung des in der Türkei Inhaftierten politischen Gefangenen Öcalan letztes Wochenende wurden als Faschisten und Terroristen bezeichnet.
Des Weiteren wurden in mehreren Beiträgen die Corona-Maßnahmen mit den Verbrechen der NS-Zeit verglichen. So schrieb ein*e Nutzer*in „Darf man bald auch nur noch mit einer ‚Geimpft‘-Armbinde oder Aufnäher in seine Praxis ? 1938 ist wohl zu lange her, als dass sich solche Lumpen daran erinnern könnten.“ Und dieselbe Person nochmal an anderer Stelle : „Die schweigende Mehrheit macht heutzutage genauso mit, wie 1933. Die schweigende, feige Mehrheit sind die gleichen, die damals den Holocaust erst ermöglicht haben. Früher gab es die SA/SS, heute die Antifa.“ Das ist nichts anderes als Holocaust-Relativierung und Verharmlosung, auch, wenn ihr das noch so oft abstreitet. Auch dieser Beitrag bekam statt Kritik wieder Zuspruch und Likes.
Um ein letztes Beispiel zu nennen, haben wir uns ein in der Gruppe geteiltes Video angeschaut : Es trägt den Titel „Idiotentest“ und es geht dabei um die Maskenpflicht. Eine Gruppe Menschen steht im Kreis und zieht sich auf Befehl eines anderen eine Papiertüte mit einem darauf platzierten Foto einer medizinischen Maske über den Kopf. Dann sagt derselbe, dass die Teilnehmenden im nächsten Schritt einen für sie entbehrlichen Gegenstand ablegen sollen. Bei allen Menschen ist eine schwarz-weiß-rote Reichsflagge auf dem Oberkörper platziert – bei allen bis auf einem, welcher stattdessen eine schwarz-rot-goldene Flagge trägt. Die Reichsflaggentragenden ziehen sofort die Papiertüte beziehungsweise Maske aus, während der Mensch mit der BRD-Flagge zunächst seine Armbanduhr und nach den nächsten Aufforderungen ein Kleidungsstück nach dem anderen auszieht und ablegt. Die Message ist klar und auch der Bezug zur sich die Vergangenheit zurückwünschenden Nazi-Szene könnte deutlicher nicht sein. Auch dieses Video erfährt viel Zuspruch – ein anderer User schreibt : „Mit einer anderen Flagge oder Symbol wäre es Massentauglicher das Video, da viele die alte Flagge mit was anderen in Verbindung bringen. Ich weiß zu unrecht, aber ist nun mal so. Am besten ohne Flaggen nur die Maske.“ Nazis müssen ihre Strategien, um zu instrumentalisieren und anzuwerben also nicht einmal heimlich besprechen und vor euch verbergen, sondern können dies offen und ungehindert tun – es stört sich sowieso kein Mensch in dieser Gruppe daran.
Und selbst, wenn ihr selbst solche Beiträge nicht schreibt, teilt oder gut findet – ihr akzeptiert es und lauft weiter Schulter an Schulter zusammen mit Faschist*innen und Neonazis. Es ist in Ordnung für euch, dass diese die Strukturen des Querdenken-Protestes maßgeblich prägen. All diese Beispiele aus der Chatgruppe sind allein aus den vergangenen acht Tagen und es gäbe noch so vieles mehr zu kritisieren und problematisieren, was dort veröffentlicht wurde.
Es bleibt uns nicht anderes übrig, als uns euch in den Weg zu stellen und zu stören, euch darauf aufmerksam zu machen, mit wem ihr da Seite an Seite, Woche für Woche stundenlang für die gemeinsame Sache durch die Straßen Kiels lauft. Mit Nazis spaziert man nicht – und wenn doch, dann muss man eben mit Widerstand rechnen.