Diesen Sommer wurde eine sehr interessante Broschüre von „Zucker im Tank“ veröffentlicht. In dieser wird gezeigt, wie Klimawandel mit anderen emanzipatorischen Kämpfen wie Feminismus, Anti-Rassismus und ähnlichem verknüpft ist. „Kämpfe zusammen_führen – Warum Klimawandel kein Ökothema ist“, ist bei Black Mosquito erhältlich und auch als pdf online.
Je ein Kapitel der Broschüre ist einem emanzipatorischen Kampf gewidmet. Hier eines meiner Lieblings-Kapitel dazu, warum Klimagerechtigkeit und Antifaschismus zusammen gehören:
Auf den ersten Blick scheinen die antifaschistische und die Klimagerechtigkeitsbewegung wenig gemein zu haben. Die „cultural gap“ zwischen einer international vernetzten Klimabewegung, die sich mit einem abstrakten, wenngleich drängenden Problem auseinandersetzt, und oft lokal agierenden Antifa-Gruppen, die den/die politischen Gegner*in konkret vor Augen haben, scheint groß. Beide Entwicklungen, der Kampf um Klimagerechtigkeit als auch das Zurückdrängen nationalistischer und faschistischer Bestrebungen, sind zwei zentrale Fragen des 21. Jahrhunderts. Wo finden sich, abseits von Klischees wie „Black Block“ oder „Klimahippies“, vielleicht auch verbindende Elemente?
Ökofaschismus der extremen Rechten
Die Klimabewegung erntet mittlerweile die Früchte ihres langjährigen Engagements. Seien es die breiten Mobilisierungen um den Hambacher Forst und die gerichtliche Entscheidung eines vorläufigen Rodungsstopps oder die Reden von Greta Thunberg26. Im Rahmen des Bündnisses Ende Gelände haben sich über 30 klimapolitische Ortsgruppen gegründet und eine thematische Erweiterung hin zu Landwirtschaft (Free The Soil) oder Autoverkehr (Anti-IAA) angestoßen. Ein Großteil der Bevölkerung und selbst bürgerliche Medien sympathisieren mit der Bewegung und halten ihr Anliegen für notwendig. Auseinandersetzungen führen die Aktivist*innen vor allem mit den Kohlekonzernen oder rückwärtsgewandten Politiker*innen. Das Hauptbetätigungsfeld für Antifaschist*innen, die (extreme) Rechte, stand bis jetzt kaum im Fokus. Diese begegnet dem Thema Klimagerechtigkeit auf zwei Arten: Zum einen versuchen extreme Rechte, vor allem aus der völkischen Siedlerbewegung, das Thema Umweltschutz zu vereinnahmen. Das Neonazimagazin „Umwelt und Aktiv“ publiziert regelmäßig zu umweltpolitischen Themen aus einem völkischen Blickwinkel. Dem gab immerhin schon die Ökofeministin Vandana Shiva ein Interview in Unkenntnis des politischen Hintergrunds. Ein weiteres Paradebeispiel ist die Solidaritätserklärung der neonazistischen Kleinstpartei „Der Dritte Weg“ mit den Aktivist*innen des Hambacher Walds. Die Verbindung von ökologischen Themen mit anti-aufklärerischen Ideen und der Übertragung von Darwins Evolutionslehre auf bevölkerungspolitische Phänomene hat in Deutschland seit Ende des 19. Jahrhunderts Tradition. Sozialdarwinismus und die nationalsozialistische „Blut und Boden“-Ideologie vereinen sich heutzutage mit einem romantisierenden Naturverständnis unter dem Slogan „Umweltschutz ist Heimatschutz“ der völkischen Rechten. Akteur*innen aus sogenannten völkischen Siedlungen versuchen gezielt, lokale Initiativen gegen Atomenergie und Gentechnik oder solidarische Landwirtschaftsnetzwerke zu unterwandern.
Kontroverse Klimawandelleugnung in der AfD
In der AfD hingegen vermengt sich am auffälligsten rechtes Gedankengut mit der Vorstellung, es gäbe keinen menschengemachten Klimawandel. Beispielhaft dafür ist das Interview vom Parteivorsitzenden Alexander Gauland in der ZEIT, in dem er erklärte, er halte eine Klimapolitik für sinnlos. Gemäß ihrer neoliberalen Ausrichtung positioniert sich die AfD gegen sogenannte „planwirtschaftliche Eingriffe“ und gegen „jegliche Subventionen“ im Energiebereich. Benannt wird jedoch ausschließlich das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG), das die Partei grundsätzlich abschaffen will. In den AfD-Fraktionen in Sachsen und Brandenburg dominiert eine klare Pro-Kohle-Haltung und gerät damit in Konflikt mit anderen Landesverbänden, die sich dem Schutz von Heimat oder dem Kampf gegen Feinstaub durch Kohlekraftwerke verschrieben haben. Zu betonen ist jedoch, dass die Expertise der AfD in Umwelt- oder Klimafragen sehr dünn ist. Neben dem Lieblingsthema Migration werden klimapolitische Fragen wenig aufgegriffen. Somit stecken hinter der Klimawandelleugnung weder fachliche Kenntnisse bzw. eine stringente Argumentation, sondern vielmehr die Ablehnung der Werte, für die sich die Klimagerechtigkeitsbewegung einsetzt. Nicht nur das Thema Kohle, sondern auch und vor allem, dass sich die Bewegung für Themen wie offene Grenzen oder die sexuelle Selbstbestimmung einsetzt, macht sie für die AfD zu einem roten Tuch.
Rassismus als roter Faden
Gemein ist der (extremen) Rechten, dass sie die sozial-ökologische Frage rassistisch aufladen. So wird beispielsweise jedem Volk (alternativ jeder Kultur) ein bestimmter Raum zugeordnet. Die Ressourcen im begrenzten Raum der heimischen Kultur (oder des deutschen Volks) werden als bedroht angesehen durch Migration oder Überbevölkerung im Globalen Süden. Globale Macht- und Wirtschaftsverhältnisse werden rassistisch und völkisch umgedeutet. Die Rechte propagiert ebenso den unbegrenzten Zugriff auf Ressourcen in anderen Ländern. Sie bieten als scheinbare Lösung für die sozial-ökonomische Krise ein Fortschreiben der Externatisierungsgesellschaft an, in der der Globale Norden auf Kosten anderer Weltregionen lebt. Auch außerhalb Deutschlands verbindet sich rechtes Gedankengut mit anti-ökologischen Bestrebungen. Brasiliens neuer rechter Präsident gilt als ausgemachter Klimawandelskeptiker. Seine Politik ist nicht nur gekennzeichnet durch zutiefst faschistische, rassistische und frauenfeindliche Rhetorik und Gesetzesänderungen als Ausdruck seines Hasses gegen alles „Linke“. Ebenso schießt Bolsonaro gegen ökologische Bewegungen, befürwortet Megaprojekte, die katastrophale soziale und ökologische Folgen haben, und kriminalisiert die Landlosenbewegung. In den USA und Italien haben Trump und Salvini nicht nur massiv soziale Errungenschaften zurückgedrängt, sondern auch umweltpolitische Maßnahmen der letzten Dekaden zurückgefahren. In beiden Ländern hat dies zu einer Repolitisierung der ökologischen Kämpfe geführt.
Klimagerechtigkeit und Antifaschismus gehören zusammen
Die großen Mobilisierungen gegen Braunkohle haben in den vergangenen Jahren bundesweit zu erstaunlichen Organisierungsprozessen geführt. Das Thema Klimawandel findet auch in der radikalen Linken zusehends Gehör. Bei Demonstrationsbefragungen während des G20-Gipfels in Hamburg wurde Klimawandel von allen Befragten am häufigsten als das Thema genannt, das sie politisch bewegt. Folgerichtig gibt es seit über einem Jahr verstärkt Versuche aus der Klimagerechtigkeitsbewegung, Brücken zu anderen Kämpfen zu schlagen. Im August 2017 fand parallel zum Klimacamp im Rheinland erstmals ein connecting-movements-Camp statt. Bei den Ende-Gelände-Aktionen 2017 gab es Finger mit explizit queer-feministischem und antirassistischem Ausdruck. Beim Parteitag der AfD in Hannover beteiligte sich ein Klima-Finger an den Blockaden. Bei den Protesten gegen die AfD in Berlin Ende Mai 2018 gab es einen großen Blockadefinger aus Ende-Gelände-Strukturen im Ende-Gelände-Style. Der Klimagerechtigkeitsbegriff beinhaltet zwangsläufig eine antirassistische Perspektive. Denn dabei geht es um globale soziale Gerechtigkeit gegenüber allen (neo-)kolonialisierten Regionen in der Peripherie. Diese sind häufig am stärksten von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen, während ihre Ressourcen weiter von Akteur*innen aus den kapitalistischen Zentren ausgebeutet werden. Deshalb ist es kein Wunder, dass Klimagruppen sich auch lokal an antirassistischer Arbeit und an antifaschistischen Mobilisierungen beteiligen. Auch die antifaschistische Bewegung hat sich in den vergangenen Jahren wesentlich breiter aufgestellt. Feministische und antirassistische Perspektiven beispielsweise haben schon lange ihren Platz in ihr. Die Ergebnisse antifaschistischer Recherche können das Bewusstsein der Klimabewegung gegenüber Vereinnahmungsversuchen von Neonazis schärfen.
Was kommt?
Die dieses Jahr zu erwartenden Stimmenzuwächse der AfD in drei ostdeutschen Landtagen sind ein Ergebnis der allgemeinen autoritären Zuspitzung. Rassistische, antisemitische und völkische Erklärungen für globale und gesellschaftliche Machtverhältnisse und die ökologische Krise sind auf dem Vormarsch. Engagement gegen eine Partei der Klimawandelleugner*innen und die Aufladung der sozialökologischen Frage durch rassistische Erklärungsmuster ist auch von der Klimagerechtigkeitsbewegung gefragt. Antifaschist*innen haben die AfD schon lange auf dem Schirm. Wir können davon ausgehen, dass vor den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg die Zukunft von Industrie und Arbeitsplätzen im mitteldeutschen und Lausitzer Braunkohlerevier eine große Rolle spielen wird. Die Landesregierungen, die Braunkohlekonzerne und ihre Lobbyverbände haben die Intention, die Forderungen der Klimagerechtigkeitsbewegung und die Interessen der Menschen in den Kohlerevieren gegeneinander auszuspielen. Doch auch viele Menschen in Bergbauregionen wollen Klimaschutz. Sie haben bloß berechtigte Sorgen um ihren Lebensunterhalt. Unsere Aufgabe besteht also darin, diesen Konflikt von rechts und nach links zu verschieben, um deutlich zu machen, worum es eigentlich geht: Um eine Auseinandersetzung zwischen fossilem Kapital und den Beschäftigten in den Kohleregionen. Rechte Akteur*innen versuchen in diesem Konflikt, rassistische und/oder verschwörungstheoretische Akzente zu setzen und ihr menschenverachtendes Weltbild als legitim erscheinen zu lassen. Eine Zusammenarbeit zwischen Antifaschist*innen und Klimagerechtigkeitsaktivist*innen scheint mehr als notwendig. Dafür wären ein thematisch erweitertes Klimacamp oder eine Antifa-Konferenz mit Klimathema schon einmal ein Anfang. Angesichts der anhaltenden Zustände und aktuellen Entwicklungen ist die Gefahr des Klimawandels und faschistischer und rassistischer Akteure ein dringendes Betätigungsfeld für die radikale Linke.