Ein Gastbeitrag von Sarah, Mäulchen und Lui zur Jugendkrimiserie TKKG

Warum wir die Jugendkrimiserie TKKG sehr problematisch und scheiße finden
Stand April 2020

Hallo liebe lesende Person,
Wir haben uns in den letzten Monaten immer wieder mit den Hörspielen von TKKG beschäftigt. Die Hörspiele oder Bücher der Krimiserie TKKG enthalten sehr viel ungutes Zeug. Jetzt schaffen wir es endlich mal, unsere Kritik und unseren Ärger über die Serie in einen Text zu packen und zu erklären – hoffentlich verständlich.

Wenn du Zugang zu Spotify hast, kannst du dir alle Folgen von TKKG anhören (es sind über 200). Du findest sie unter „TKKG“ oder die älteren Folgen unter „TKKG Retro Archiv“. Wenn du die ersten beiden Folgen anhörst, erkennst du wahrscheinlich schon selbst einen Großteil unserer Kritik. Wir müssen dazu sagen, dass wir insgesamt vielleicht 10-20 Folgen angehört haben (ein paar von den ersten, ein paar aus der Mitte und eine relativ neue), wir können also nicht alle Folgen beurteilen.

Fangen wir mal mit den Hauptpersonen an. TKKG steht ja für Tim (bzw. Tarzan), Karl, Klößchen und Gaby. Es wird gesagt, die vier seien „Freunde“, doch wir erkennen in Nur ihr Aussehen wird beschrieben ihrem Umgang miteinander wenig freundschaftliches. Die Figuren sind sehr nach Klischees gezeichnet. Die Gruppe ist ziemlich hierarchisch und zwar nach der Rangordnung, wie die Figuren im Namen vorkommen.

Tim ist der Anführer und Chef. Er hat die meisten Ideen, bestimmt, was gemacht wird und ist öfter auch mal allein unterwegs bei der Jagd nach sogenannten Verbrecher_innen. Die anderen drei sind eigentlich nie allein unterwegs und wenn doch, werden sie in den meisten Fällen entführt oder überfallen, (was wiederum darstellt, dass die drei ohne Tim nicht in der Lage sind ein Leben ohne Gefahr zu leben). Auch ist Tim „der Sportliche“ unter den Vieren und wenn ihm danach ist, schlägt er Verdächtige oder andere Menschen – wie zum Beispiel Wohnungslose Menschen, die des Öfteren in den Folgen als Penner bezeichnet werden – gerne mal brutal zusammen. Super unsympathisch. Zu Tims Dominanz: „002 – Der blinde Hellseher – Teil 06“ by TKKG Retro Archiv min 00:50f; https://tkkg.de/ueber-tkkg/tim; „097 – Die Hand an den Sternen“ Teil 19

Der zweite in der Hierarchie ist Karl. Karl ist eigentlich nur dazu da, ab und zu ein paar für die Handlung nützliche oder auch nicht so nützliche Fakten rauszuhauen. Er ist das Lebende Klischee eines „Nerds“: blass, mag Sport nicht, kennt sich mit Technik aus, weiß viel, spricht wie ein Lexikon, aber sonst ist wenig über ihn bekannt. Außer, dass er sich auch gerne darüber amüsiert, dass die anderen nicht so viel wissen wie er es tut. Er hat den Spitznamen „Computer“. Karls Vater ist Professor, was sein Lexikon-Wissen begründen soll. Im Artikel „Rassismus im Kinderzimmer“ schreibt Katharina Mayer „darin spiegelt sich eine biologistische Begründung, die Frösteln macht.“ (https://taz.de/!544631/)

Wir denken, TKKG ist ein gutes Beispiel, wie gesellschaftlich toleriert Bodyshaming in Bezug auf Körpergewicht ist. Die dritte Figur ist „Klößchen“, der eigentlich Willi heißt, aber trotzdem immer über sein „Dicksein“ benannt wird. Willi ist meistens passiv, nicht besonders schlau, isst ständig Schokolade (3-4 Tafeln Schokolade am Stück) und darf zu manchen Abenteuern nicht mal mitkommen, weil er eh nicht mithalten kann (-> „002 – Der blinde Hellseher – Teil 05“ by TKKG Retro Archiv min 00:00 – 00:28; „002 – Der blinde Hellseher – Teil 06“ by TKKG Retro Archiv min 00:20f). Sein Dicksein wird als seine hervorstechendste Eigenschaft dargestellt. Und wird darauf zurück geführt, dass er so viel essen würde. Das ist ein echt problematisches Klischee, das dicken Menschenzuschreibt, sie allein seien „Schuld“ an ihrem Dicksein und sollten einfach weniger essen. Das stellt Dicksein als etwas Schlechtes dar und verkennt, dass es einfach Quatsch ist, Dicksein allein über Essen und Bewegung zu „begründen“. Auf fast jedem Bild ist Willi mit einer Schokolade in der Hand zu sehen. Wenn die anderen eine Cola bestellen, bestellt Willi eine Torte („002 – Der blinde Hellseher – Teil 05“ by TKKG Retro Archiv min 01:18f). Seine Körperform wird von anderen ständig kommentiert. Es wird gesagt, er könne dies und das nicht wegen seinem Körper und handelt auch eher zurückhaltend und ängstlich. Wir geben jetzt ein paar Zitate wieder, aber Achtung, sie sind sehr verletzend. Tim zu Willi als er ihn „beruhigen“ will, dass er bestimmt nicht gekidnappt wird: „Dich würden die Kidnapper doch nicht satt kriegen. Schon deshalb bist du für die viel zu unbequem.“. „092 – Der grausame Rächer – Teil 15“ min 1:04 Willi: „Für mich den doppelten Familieneisbecher, aber den für die Großfamilie.“ … Gabi: „Das soll heißen, dass die Gastronomie ins Schleudern gerät bei Menschen mit deinem Appetit“ Karl: „Appetit? Der ist schlichtweg verfressen.“ Willi oder andere sagen nie etwas gegen diese Kommentare, Willi wehrt sich nicht. Dadurch wird nicht oder nur kaum klar gemacht, dass das scheiße ist und dieses diskriminierende Verhalten als „normal“ dargestellt. Menschen, die Kommentare wie diese erleben oder mitbekommen wird auch keine Handlungsoption dargestellt, was sie dagegen tun können.

Der Autor Stefan Wolf ist super eklig. Hier ist er im Interview:
„Wir müssen also davon ausgehen, dass Klößchen niemals dünner werden wird?
Wolf: Sagen wir mal so: Er plant es. (lacht) Wenn ich in die Zukunft der Charaktere schaue, dann denke ich mal, dass Klößchen – wenn er die Pubertät hinter sich gebracht hat und ernsthaft auf Partnersuche ist – dass er dann schon seine Naschhaftigkeit einschränken und dünner werden wird, um auch ein Mädchen zu finden. Aber das ist fiktiv. Wie gesagt, er wird ja nicht älter.“ Zu finden auf
http://www.planet-interview.de/interviews/stefan-wolf/34059/

Stereotype Darstellungen von Willi und Karl findet ihr u.a. hier: „092 – Der grausame Rächer – Teil 06“ by TKKG Retro Archiv min 00:54 – 1:16; „097 – Die Hand an den Sternen“ Teil 10

Kommen wir zu Figur vier: Gaby. Gaby ist „DAS Mädchen“ bei TKKG. Wir schreiben das deshalb so, weil Gaby oft quasi die einzelne weibliche Figur in einer Folge ist. Ihre Darstellung ist sehr sexistisch. Sie ist die Freundin von Tim. Ein großer Part ihrer Existenz ist das Anhimmeln und Tollfinden von Tim. „Nützlich“ ist sie auch, weil ihr „Papi“ Polizeikommissar und für TKKG ein unverzichtbarer Partner für ihre Fälle ist. In der Kurzbeschreibung von Gaby auf tkkg.de wird sie auch hauptsächlich über diese
zwei männlichen Figuren definiert ( https://tkkg.de/ueber-tkkg/gaby ).
Zudem ist Gaby tierlieb und ängstlicher und zweifelnder als die anderen (siehe: „001 – Die Jagd nach den Millionendieben“ Teil 05 min 1:20: Gabi: „Mir ist das nicht geheuer. Das ist zu gefährlich.“ Tim: „Du darfst nur mit, wenn es nicht gefährlich wird. Schließlich bist du ein Mädchen.“; Teil 06 Gabi zweifelt; Teil 06 min 00:29 Warum wird nur bei Gabi gefragt, was ihre Mutter dazu gesagt hat, dass sie aufs Volksfest geht?). Nur ihr Aussehen wird beschrieben. Das Aussehen der anderen bleibt (bis auf Willi) in der Regel unerwähnt. Es wird oft sogar gesagt, sie darf etwas nicht „weil sie ein Mädchen
ist“. Tim: „Gabi bitte guck mal weg, denn jetzt kriegt er noch eine. Er will nicht hören, also muss er fühlen.“ (092 – Der grausame Rächer – Teil 24 min 0:40f)

Der eklige Autor Stefan Wolf sagt dazu im Interview: „Nennen Sie mir ein Lebensbereich, in dem man ohne Klischees auskommt! Wenn man etwas nimmt, was eben dem allgemeinen Geschmack entspricht, was gerade trendy ist, was irgendwo schon öfter mal gebraucht worden ist, spricht man von Klischee. Wie viele Möglichkeiten hat man denn, ein Mädchen zu schildern? Sie ist entwederblond und blauäugig, dunkelhaarig mit braunen Augen, oder sie ist eine Rothaarige mit grünen
Katzenaugen.“ Zu finden auf: http://www.planet-interview.de/interviews/stefan-wolf/34059/ Ganz davon abgesehen, wie sexistisch und objektivierend das ist, ist es auch hoch rassistisch.

Zum Sexismus gehört auch, dass die Täter_innen meistens männlich sind.

Hier noch ein Zitat des Autors: Interview-Frage: Stichwort „Tim als Übermensch“: Viele Leser und Hörer stören sich daran, dass Tim immer die Hau-Drauf-Methode anwendet!
Wolf: Er ist kein Schläger. Er handelt, wenn Sie genau hinschauen, immer in Notwehr. Ich drehe es immer so, dass er in Notwehr handelt, aber Gaby, das Weibliche, das Mütterliche, das bewahrende Element, ihn stoppt. Ich würde ihn nicht als aggressiv bezeichnen, obwohl er schon eine gewisse Portion Härte hat. Die braucht er jedoch, um die Story durchzuführen. […]“ https://www.tkkg-site.de/de/blog/eintrag/2004/08/20/stefan-wolf-im-interview-ueber-25-jahre-tkkg.html

Die fünfte Figur ist der Hund Oskar. Obwohl er eigentlich mit im Team, darf jedoch nicht im Namen vorkommen. Klarer Fall von Speziesismus.

Eine weitere himmelschreiend problematische Sache ist, wie TKKG zu ihren Verdächtigungen kommen und wer auch überdurchschnittlich oft zu den Täter_innen gehört. „Alle Figuren, die den Normen und Regeln der Band widerstreben, werden als Außenseiter etikettiert, also ohne konkrete Beweise eines Verbrechens beschuldigt.“ (Münschke, S. 84)

Erstens Rassismus: In Folge „002 – Der blinde Hellseher“ wird zum Beispiel grundlos ein Mensch verdächtigt, dem zugeschrieben wird, dass er Italiener sei. Sein (vermeintliches) Italienersein wird direkt und komplett aus der Luft gerissen mit der Maffia in Verbindung gebracht. Toll. ( Folge 002 – Teil 05 min 01:05 – „002 – Der blinde Hellseher – Teil 06“ by TKKG Retro Archiv; „097 – Die Hand an den Sternen“ Teil 19: „Vielleicht von der Russenmafia“ – Tim; „065 – Sklaven für Wutawia“ Teil 09
erster Verdacht „wahrscheinlich die Mafia“, „Gangster, Banditen, die Mafia“)

Oft werden auch Begriffe wie das N.-Wort oder ähnliches verwendet. Zu dem Vorwurf, es handle sich bei seiner Literatur um Postnazistische Jugendkrimis nahm der Autor wie folgt Stellung: „Autor Rolf Kalmuczak jedenfalls machte 2005 in einem Interview keinen Hehl aus seinem reaktionären Weltbild. „Heute besteht mein Publikum aus überwiegend jungen Menschen, und ich gebe mir schon große Mühe, meine Philosophie rüberzubringen. Und diese Philosophie enthält auch die Erhaltung
tradierter Werte, ohne die wir in dieser Gesellschaft nicht auskommen.““ (https://taz.de/!544631/)

Generell sind die Täter_innen meistens Menschen, die nicht in das weiße deutsche gutbürgerliche Milieu eingeordnet werden, aus dem TKKG kommen.
„Das bürgerliche Umfeld, in dem sich die vier Ermittler [sic!] aufhalten und in dem sie sozialisiert wurden und werden, stellt die einzig wahre soziale Lebensform dar – und diese muss beschützt werden.“ (Münschke 2016, S. 85) -> Alle die nicht da reinpassen, kommen nicht gut weg. Da ist zum Beispiel die Abwertung von Wohnungslosen und anderen marginalisierten Gruppen: „065 – Sklaven für Wutawia“ -> „Penner“, Teil 05. Die wohnungslose Paula wird „Würgegriffpaula“ genannt und als gewalttätig und verlogen dargestellt. Gabi: „Es ist allein deine Schuld [, dass du von der Schule geflogen bist]. Warum hast du dich nicht angestrengt, du Penner?!“ („092 – Der grausame Rächer – Teil 24“).
Feindlichkeit gegenüber Punks: „097 – Die Hand an den Sternen“ by TKKG Retro Archiv Teil 04: „Sie hatten sich geschworen, es im Leben zu nichts zu bringen.“
Alles mit Alkohol und Drogen wird abgewertet und direkt verdächtig gemacht: „092 – Der grausame Rächer – Teil 13“ min 00:10. Aussehen entscheidet auch viel über die Verdächtigkeit: z.B. in „001 –Die Jagd nach den Millionendieben“ Teil 09 „Knubbelnase“. Auch die harmlosen Cannabis- Konsument_innen an ihrer Schule sind in den Augen von TKKG „dumm“, „bescheuert“, „Saukerle“ und werden mit deftigen Moralpredigten, meistens von Tim, bekehrt („Rauschgift-Razzia im Internat“).

Aber auch bei den Opfern, gibt es immer wieder eine stark konservative bis rechte
Herangehensweise. So handelt es sich bei den weiblichen Opfern meistens um Menschen die gegen den Willen eines Mannes gehandelt haben. Beispiele: Katja, die entgegen des Wunsches ihres Vaters einen Tätowierer heiratet, verbrennt kurz darauf fast bei einem Autounfall. Als Reaktion vom Vater am Krankenhausbett kommt ein: “Das hast du nun davon.“ (113: Mit heißer Nadel Jagd auf Kids). Ein gutes Beispiel für Victim Shaming findet man in der Folge „Mädchenraub im Ferienhaus“ in welcher
die „kleine Nina“ entführt wird. Nach der Tat diskutieren die Eltern als Erstes über ihre Kleidung. „Sie hatte das T-Shirt an, das du nicht leiden kannst, das mit der Eistüte drauf, darunter steht ‚Leck mich’“, sagt die Mutter. Obwohl die Entführer gar keine sexuellen Motive verfolgen!

Ein weiterer großer Kritikpunkt ist die Darstellung von „Gut“ und „Böse“. „Im ‚TKKG‘-Universum wird eine klare Grenze zwischen ‚gut‘ und ‚böse‘ gezogen. Es existieren nur sehr wenige Figuren, die nicht in diese Schwarz-Weiß-Schablone passen. […] bereits nach dem ersten Auftritt einer Figur kann im Regelfall gesagt werden ob diese positiv oder negativ gezeichnet ist. Die Verdächtigen werden mit
einer rauen Stimme eingeführt, sie sind unfreundlich und aggressiv“. (Münschke, S. 90)
Selbst wenn die Zuhörenden etwas von den Hintergründen der „Täter_innen“ erfahren, am Ende werden sie immer der Polizei übergeben. Am Ende oder eigentlich immer sind TKKG die „Guten“, ihre Fehler werden quasi nie so benannt, es gibt keine Entschuldigungen, nichts, wenn sie zum Beispiel bei irrtümlich Verdächtigten ein Fenster eingeschlagen haben oder so.

Eng damit verknüpft ist das sehr zu kritisierende Polizeibild, was damit gebaut wird, als „Freund_in und Helfer_in“. Siehe „092 – Der grausame Rächer – Teil 12“ min 00:20f; „092 – Der grausame Rächer – Teil 22“ min 00:30 „Zum Glück war die Polizei rechtzeitig hier.“ Dass die Polizei komplett unhinterfragt zu den „Guten“ gehört, ist ja in vielen Krimiserien ein großes Problem. Nicht anders bei TKKG. Es wird nie hinterfragt, was mit den Verdächtigten passiert, wenn und nachdem die Polizei sie festgenommen hat. Es wird nicht hinterfragt, ob es unter den Umständen unter denen eine Person
etwas „Verbotenes“ getan hat, vielleicht verständlich und eigentlich gar nicht schlimm ist. Gesetzlich (oder von Tim) verboten? Zack niedergeschlagen und ab zur Polizei.

Was grade im Bezug auf Öko-Aktivismus auch wichtig ist, ist dieses „Tierschutz statt
Menschenschutz
“. TKKG sind sehr tierlieb, retten Tiere, spenden ihre Belohnungen an ein Tierheim und werden dadurch als „so gut und engagiert“ dargestellt. Tierschutz hat – wie in diesem Fall – oft problematische Tendenzen zu rechten (also menschenverachtender Einstellungen und Handlungen) Denkweise und Strukturen.

Schön, dass du den Text durchgelesen hast. Und liebe Grüße 🙂

Quellen:
Münschke, Frank (2016): „Dass die frei herumlaufen dürfen“. Norm und Normabweichungen in „TKKG“-Hörspielen. In: Emde, Oliver/Staden, Lukas/Wicke, Andreas (Hsg.) (2016): Von „Bibi Blocksberg“ bis „TKKG“. Kinderhörspiele aus gesellschafts- und kulturwissenschaftlicher Perspektive. Opladen, Berlin, Toronto. Verlag Barbara Budrich. S. 82-93