Es gibt kein ruhiges Hinterland! Bericht zur Kundgebung gegen die AfD in Nordhastedt

Bis zu 50 Antifas reisten am Freitag zur Kundgebung gegen die AfD-Veranstaltung in der Gaststätte ‚Zum Alten Bahnhof‘ in Nordhastedt, Kreis Dithmarschen. Die Demonstrant*innen stellten sich direkt gegenüber dem Veranstaltungsort an die Straße und ‚begrüßten‘ die eintreffenden AfD-Symphatisant*innen mit lautstarken Sprechchören. In Redebeiträgen wurde zum einen die Relevanz des gemeinsamen Gegenprotestes gegen die AfD hervorgehoben, zum anderen aber auch Widerspruch gegen die rassistische und autoritäre Politik der Ampelregierung geäußert. Nicht Abschottung, Ausgrenzung und Hetze sind die Lösung, sondern solidarischer Zusammenhalt!

Immer mehr Menschen schlossen sich an und etwa eine Stunde nach Eintreffen der Antifas von außerhalb ging die Kundgebung in eine weitere Gegenveranstaltung von den Omas gegen Rechts Kreis Dithmarschen und dem Bündnis ‚Dithmarschen ist bunt‘ über. Neben diesen konnten auch Antifaschist*innen von der vorherigen Kundgebung einen Redebeitrag halten. Diesen findet ihr unter dem Bericht.

Am Ende demonstrierten knapp 200 Menschen gegen die AfD und ihre Unterstützer*innen, welche sich hinter mit Planen verdeckten Bauzäunen und einem massiven Polizeiaufgebot in der Gaststätte verschanzten und nur für kleinere Provokationen kurz aus dem Versteck hervorkamen.

Gerade jetzt, wo die Lage immer bedrohlicher zu werden scheint, wo Nazis zunehmend selbstbewusster auftreten und diejenigen, die nicht in ihr menschenverachtendes Weltbild passen bedrohen und angreifen – in ostdeutschen Bundesländern, aber auch hier in Schleswig-Holstein – dürfen wir nicht nachlassen!

Alle zusammen gegen den Faschismus!

Hier findet ihr den Redebeitrag:

Zu Beginn einmal, will ich euch allen danken, die ihr euch heute hierher auf den Weg gemacht habt, um der AfD zu zeigen, dass sie hier nicht willkommen ist. Danke an die Omas gegen Rechts und an das Bündnis, dass ihr diese Kundgebung organisiert habt, dass ihr überhaupt aktiv seid im ländlichen Dithmarschen, wo man sich nicht so einfach verstecken kann zwischen den Vielen, die der gleichen Meinung sind wie man selbst – wo sich Antifaschist*innen gegenseitig kennen, und von der Gegenseite gekannt werden. Es erfordert unfassbar viel Mut in Zeiten wie diesen auf dem Land antifaschistisch aktiv zu sein, auch in Schleswig-Holstein, und ihr habt meinen tiefsten Respekt dafür. Ich danke euch, dass wir einen Redebeitrag auf eurer Kundgebung halten können – denn es ist wichtig, dass wir hier heute zusammen stehen, gegen die AfD, trotz aller Unterschiede. Und es wird weiter wichtig bleiben, denn die vergangenen Wochen zeichneten ein erschreckendes Bild.

Fast täglich gab es Meldungen, die besorgniserregender kaum sein könnten: Sei es der schnellen Schrittes voranschreitende Autoritarismus, mit dem jede Woche weitreichendere repressive Gesetzesverschärfungen einhergehen, die rechtsextremen Aufmärsche und Angriffe gegen queere Veranstaltungen in Bautzen, Leipzig oder Magdeburg oder die erschreckenden Wahlergebnisse in Thüringen und Sachsen.

Seit Monaten schon fordert Bundesinnenministerin Nancy Faeser die Einführung und Zulassung von massiven Überwachungsmethoden. So sollen Hausdurchsuchungen künftig ohne richterliche Anordnung und ohne Wissen der Betroffenen stattfinden können. Die Überwachung in den sozialen Netzwerken soll ausgebaut werden und Polizei und Geheimdienste enger zusammenarbeiten. Seit dem islamistischen Terroranschlag in Solingen fordert sie nun gar, in Anlehnung an die, mit militärischer Aufrüstung verbundene Zeitenwende in der Außenpolitik, eine ‚Zeitenwende im Inneren‘. Vor wenigen Tagen erst ordnete sie umfassende Grenzkontrollen an allen Landesgrenzen an. Und auch die Grünen fordern in aktuellen Positionspapieren Zitat ‚konsequente Abschiebungen von nicht-deutschen Gefährdern‘, und beziehen sich dabei ebenfalls auf Terrorakte wie das Attentat in Mannheim vor wenigen Wochen. Erst kürzlich startete der erste Abschiebeflug nach Afghanistan. Dafür kooperiert die deutsche Bundesregierung bereitwillig mit den islamistischen Terroristen der Taliban. Doch inwiefern löst es Probleme, wenn religiös-radikalisierte Menschen in Regime abgeschoben werden, in denen eben jene gewaltvolle Ideologie Grundlage für den Aufbau des Staates ist? Vor allem Frauen, Mädchen und Queers leiden unter den wöchentlich repressiver werdenden Maßnahmen, die sie bereits jetzt beinah gänzlich aus der Öffentlichkeit verbannt und von Bildung ausgeschlossen haben, ihnen Unabhängigkeit verunmöglichen. Aber auch Gegner*innen der Taliban wurden hundertfach gefoltert und ermordet, seit die, gerade auch deutschen, Politiker*innen sie im Stich gelassen haben und ein groß versprochenes Aufnahmeprogramm für Gefährdete Afghan*innen nicht im Geringsten umgesetzt haben. Spitzenpolitiker von der FDP wollen Geflüchteten mit der Streichung von Sozialleistungen jede Lebensgrundlage nehmen.


Die vielfach beschworene Brandmauer gegen die rassistischen Deportationspläne von AfD und anderen Nazis, von der vor wenigen Monaten von SPD über Grüne, FDP und CDU noch alle versprachen, dass sie mit ihnen Bestand haben würde, hat sich in Luft aufgelöst. Viel mehr scheint es so, als würden nun alle versuchen, sich gegenseitig immer weiter zu überbieten. Damit knüpfen sie nahtlos an die europaweiten GEAS-Verordnungen an, die letztes Jahr auch in Deutschland beschlossen wurden. Das Grundrecht auf Asyl, welches angesichts der Grauen der Nazizeit und des Zweiten Weltkrieges als zentraler Bestandteil im Grundgesetz verankert wurde, ist damit faktisch abgeschafft. Nicht von der AfD – sondern ganz allein von der sogenannten ‚Fortschrittskoalition‘.


Doch auch queere Menschen, also unter anderem Transpersonen, nicht binäre Menschen, Schwule, Lesben und Bisexuelle sind Ziel der Hetze und Gewalt im Zuge des Rechtsrucks: Immer wieder kam es in ostdeutschen Bundesländern zu Aufmärschen von Neonazis, um die jährlich stattfindenden Christopher Streetdays zu stören und zu bedrohen. Christopher Streetdays sind von enormer Bedeutung für die queere Community. Entstanden, um an die Aufstände queerer Menschen gegen die Gewalt und Schikane der Polizei in New York im Jahre 1969 zu erinnern und weiter für die Rechte der Community zu kämpfen, stellen sie heute immer noch einen wichtigen Raum für Sichtbarkeit, Empowerment und Vernetzung dar. Und Vernetzung ist wichtig in einer Zeit, in der die queere Community noch längst nicht befreit ist und die erstarkende Rechte die Zerstörung all jener Errungenschaften fordert, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten mühsam erkämpft wurden. Vernetzung und Empowerment ist wichtig, gerade an Orten, an denen sich vor allem queere Jugendliche sonst so oft alleine mit all der physischen und psychischen Gewalt, all dem Hass, der Ausgrenzung und der Abwertung konfrontiert sehen, die ihnen jeden Tag entgegenschlägt.

Auf dem CSD in Erfurt vergangenes Wochenende, der zum Glück nicht von hetzenden Faschist*innen belagert wurde, sprach Emma als behinderte migrantische TransPerson, aber auch als Antifaschistin: „Wir sind viele. Und wir lassen uns dieses Bundesland nicht nehmen!“ Sie betonte, was für weitreichende folgen die Wahlen auch für queere Menschen in Thüringen haben werden. Wenn die Gelder für Vereine gestrichen werden, fallen Initiativen und Räume weg, in denen queere Menschen vor allem auf dem Land nicht selten ihren einzigen Zufluchtsort finden. Emma bat um Solidarität – auch im finanziellen Sinne, beispielsweise durch Spenden an die Polylux Initiative – um solche Räume zu erhalten. Sie betonte aber auch, dass wir als antifaschistische Bewegung zusammenhalten und weiter laut sein müssen. Mit lautstarken Rufen wie „Free Maja“ und „Alerta, Alerta Antifascista“ setzte der Demozug am Sonntag in Erfurt nicht nur ein klares Zeichen gegen Queerfeindlichkeit, sondern auch für eine starke antifaschistische Bewegung, die nicht bereit ist aufzugeben. Die diejenigen nicht vergisst, die für ihr konsequentes Handeln vom Staat mit Repression überzogen und weggesperrt werden.


Auch im Norden mobiliserten und mobilisieren Nazis in letzter Zeit gegen CSDs, wie etwa in Winsen Luhe in Niedersachsen vergangenen Sonntag. Auch dieses Wochenende gilt es, solidarisch als Antifaschist*innen den CSD Wismar zu unterstützen, der von rechter Gewalt bedroht wird. Schließt euch z. B. der gemeinsamen Anreise am Samstag aus Lübeck an, Treffen um 10:40 vorm Haupteingang des Hauptbahnhofes. In Kiel trifft man sich um 08:30 an den Fahrkartenautomaten im Hbf.

Das erste mal seit 1945 ist eine rechtsextreme Partei die stärkste in einem deutschen Landtag, in einem weiteren hat sie dies nur knapp verfehlt. Auch, wenn es in Schleswig-Holstein bisher noch weitaus besser aussieht, als in anderen Bundesländern: Unsere Antwort auf all diese Entwicklungen kann nur solidarischer Zusammenhalt sein.
In den letzten Monaten hat die AfD Schleswig-Holstein keine Veranstaltungen mehr in größeren Städten durchgeführt, hat sich stattdessen für ihre Bürgerdialoge und Vorträge in kleinere Ortschaften zurückgezogen und zumeist den Veranstaltungsort mit aller Kraft versucht geheim zu halten, in der Hoffnung Gegenprotest zu verhindern. Diese Entwicklung kann zum einen als Erfolg gewertet werden der denjenigen zu verdanken ist, die die letzten Monate jede Möglichkeit genutzt haben, die AfD in ihrer Aktivität immer wieder zu Blockieren und lautstark zu übertönen. Zum anderen dürfen wir aber die Menschen auf dem Land, zu denen die AfD nun kommt, nicht alleine lassen!

Lasst uns gemeinsam dafür eintreten, dass Migrant*innen und von Rassismus betroffene Personen, dass queere Menschen und alle anderen, deren bloße Existenz vom Erstarken der AfD und vom Rechtsruck bedroht wird, in Sicherheit und Würde leben können! Lasst uns – statt für Abschottung und rassistische Hetze – für ein solidarisches Miteinander einstehen, in dem alle ohne Angst leben können, am nächsten Tag nicht genug zu Essen oder kein Dach über dem Kopf zu haben. Die AfD ist nicht die Lösung, sie ist eine, auch in Schleswig-Holstein, immer größer werdende Gefahr – und um dem etwas entgegen zu setzen, müssen wir wachsam und aktiv bleiben, so wie heute hier in Nordhastedt.

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