von einigen Menschen aus der Turbo Klima Kampf Gruppe
Heute, am 18.3. ist Tag der politischen Gefangenen. Wenn wir politische Gefangene hören, sollen wir an Oppositionelle in Weißrussland, in China oder in Myanmar denken . Weit weg von der Vorstellung westlicher Demokratien, weit weg von uns und unserem Alltag. Leider ist Knast für uns als Klimagerechtigkeitsaktivist*innen tatsächlich aber weniger weit weg als wir uns das wünschen würden. Deshalb beschäftigen wir uns an diesem Tag der politischen Gefangen in Solidarität mit allen Eingesperrten mit denen, die auf Grund ihres Kampfes für Klimagerechtigkeit und gegen die Zerstörung der Umwelt eingesperrt wurden.
Gefangene in der BRD
Wir werfen dabei zuerst mal einen Blick in die BRD und wagen eine kleine, natürlich unvollständige Übersicht der letzten Jahre.
Seit dem Beginn der Besetzungen im Hambacher Forst saßen Dutzende Aktivistis zwischen zwei Wochen und fast neun Monaten im Knast. Viele davon wurden eingesperrt, weil sie sich weigerten, ihre Personalien anzugeben und so dem Staat eine einfache Strafverfolgung zu ermöglichen. Obwohl nein, so ist das falsch dargestellt. Eingesperrt wurden sie nicht deshalb, sondern weil ihre Aktionen, der Widerstand und das alternative Leben im Wald den Herrschenden nicht passte. Anlässe waren Konfrontationen zwischen den Secus von RWE und Aktivist*innen, verschiedene Räumungen und Rodungen. Ankettaktionen wurden als Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte definiert (wie bei den Hambi9), um Gründe für die Untersuchungshaft zu finden. Trommeln wurde zu Landfriedensbruch, Menschen landeten bei der großen Räumung 2018 im Knast, ohne nach ihrer Verhaftung auch nur einmal telefonieren zu dürfen. Auch wenn einige Personalien angaben, führte das nicht immer zur Entlassung. Manchmal wurden dann einfach andere Haftgründe gesucht, wie ein Wohnsitz im Ausland. Viele schrieben Briefe mit Einblicken aus dem Knast. Es lohnt sich diese Briefe mal beim Anarchist Black Cross Rhineland zu lesen.
In der Lausitz landeten die #Lausitz23-Menschen auch für einen Hausfriedensbruch (eine der kleinsten Straftaten im Strafgesetzbuch) im Tagebau in Untersuchungshaft, als einige von ihnen die Angabe ihrer Personalien verweigerten. Soli-Aktionen wie „Besser Haft als Kohlekraft“ mit einer erneuten Baggerbesetzung im Tagebau folgten. Diesmal liefen sie, vielleicht auch wegen dem offensiven Umgang damit, ohne Haft ab. Auch in Kiel gab es eine kleine Soli-Kundgebung.
Im Dannenröder Forst und bei solidarischen Autobahn-Blockaden wurden zahlreiche Menschen festgenommen. Die Autobahnblockierer*innen verbrachten teilweise einen Monat im Knast, für etwas, bei dem mindestens eine Staatsanwaltschaft behauptet, es würde sich nur um eine Ordnungswidrigkeit handeln. Noch heute sitzen zwei Personen, die im Rahmen der Räumung und Rodung des Dannenröder Forstes festgenommen wurden, in Untersuchungshaft, eine mit und eine ohne Angabe der Personalien. Mehr zu den Gefangenen in Hessen gibt es hier.
In Stuttgart sitzen Nicole und Martin im Knast, weil ihnen vorgeworfen wird unter dem Pseudonym MIlitantE ZellE (MIEZE) Drohbriefe an Politiker*innen und Unternehmen verschickt zu haben, da diese „nichts gegen Ausbeutung, Faschismus, Gentrifizierung, Ignoranz gegenüber Klimaproblemen“ unternehmen würden. Außerdem wird Nicole und Martin vorgeworfen, einen Brandsatz vor der Villa von Clemens Tönnies abgelegt (nicht angezündet) zu haben. C. Tönnies ist der Mann, der auch in Kellinghusen nicht weit von Kiel Schweine abschlachten lässt, weshalb auch hier schon blockiert wurde und Tönnies‘ Anwältis jetzt zwischen 40.000 und 17.000 Euro Schadensersatz von beteiligten Aktivist*innen fordern.
Nicht übergehen wollen wir, dass fast die meisten Menschen in der Klimagereichtigkeitsbewegung Erfahrungen mit relativ kurzzeitigem Eingesperrt-werden auf der Polizeiwache oder im Kessel haben. Bei vielen Aktionen von Ende Gelände gehört das fast selbstverständlich mit dazu. Und wenn, wie in NRW, dann auch schon mal sieben Tage möglich sind, einfach so, ohne jegliche Straftat, einfach nur zur präventiven Personalienfeststellung, ist das so kurz dann auch nicht mehr – auch wenn diese Regelung bisher erst in wenigen Fällen zur Anwendung gekommen ist.
Gefangene weltweit
Werfen wir aber nun nochmal einen Blick über unseren Tellerrand und schauen wir, wer anderswo wegen Aktivitäten für Klimagerechtigkeit eingeknastet wird. Weltweit sind diese Fälle nur bruchstückhaft dokumentiert. Doch sie sind nicht selten. In den unregelmäßigen Medienberichten beispielsweise aus den Philippinen ist dann oft von mehrfachen Verhaftungen in der allerkürzesten Vergangenheit die Rede. Häufig betroffen sind Indigene oder kleinbäuerlich lebende Menschen, die sich gegen Landgrabbing für industrielle oder landwirtschaftliche Großprojekte wehren.
Auch Menschen, die sich öffentlich äußern, werden regelmäßig verhaftet. Die Fridays-For-Future Aktivistin Disha Ravi wurde, nachdem ein Social-Media-Beitrag von ihr, den unter Anderem Greta Thunberg weltweit verbreitet hatte, wohl zu große Aufmerksamkeit erhalten hatte, diesen Februar in Indien eingesperrt. Disha Ravi unterstützt die Bauernproteste in Indien. Sie ist vorest frei und angeklagt wegen einer Verschwörung gegen den Staat. In Russland musste Arshak Makichyan Ende 2019 sechs Tage in den Knast wegen einer verbotenen Demo: einem Schulstreik für das Klima mit drei Personen.
Dokumentiert sind in diesem Februar die Fälle von Syamsul und Samsir Bahri, die sich in Sumatra für die Wiederaufforstung eines Mangrovenwaldes engagieren und mittlerweile seit über einem Monat in Haft sind, und der Fall des kambodianischen Preisträgers Ouch Leng, der zeitgleich mit vier Anderen für mehrere Tage eingesperrt wurde. Ouch Leng wurde schon zuvor verhaftet. Seine Recherchen hatten Korruption zwischen Regierung und Holzfällernetzwerken offenbart.
In Chile werden indigene Mapuche aufgrund des Kampf gegen die ihr Land zerstörende Papierindustrie eingesperrt. Jaime Huenchullán war mehrfach im Gefängnis. Er besetzte in den 90ern Land, was dem Forstunternehmen Mininco gehörte. Unter Allende war es an die Mapuche zurückgegeben worden, unter Pinocchet wieder privatisiert. Bei Festnahmen beruft sich die Polizei auf das Antiterrorgesetz. Mittlerweile wird der Konflikt mit Waffen ausgetragen.
Mit Vorwürfen, die keine sind, wie “incitement to cause societal chaos”, werden lange Haftstrafen begründet. Nguyen Ngoc Anh, ein Blogger aus Vietnam, wurde zu sechs Jahren (seit Juni 2019) verurteilt. Er hatte wie viele Andere, die verhaftet wurden, gegen das Stahlwerk Formosa Plastics protestiert, das verantwortlich für ein massives Fischsterben 2016 ist, wo Giftstoffe aus der Stahlverarbeitung ins Meer abgeleitet wurden.
In den USA bezeichnet das FBI die Earth Liberation Front als „gefährlichste, inländische terroristische Bedrohung der USA“. Zahlreiche Menschen bekamen dort lange Haftstrafen wie Marie Mason, die 2009 22 Jahre bekam für Aktionen, die Eigentum zerstörten, aber niemand verletzten, und seitdem im Knast sitzt. Die Gesetzgebung in den USA hat sich in den letzten Jahren verschärft. Vielerorts gibt es in den USA Widerstand gegen den Bau neuer Gaspipelines. Je nach Bundesstaat sind nun langjährige Gefängnisstrafen vorgesehen für das Beschädigen von Pipelines im Bau, aber auch nur für das Betreten oder den Aufruf zu einer Aktion auf dem Baugelände.
Andernorts sind Naturschützer*innen im Gefängnis, weil ihre Projekte Zusammenarbeit über Landesgrenzen hinaus erfordern. Offensichtlich endet Natur nicht an menschengemachten Linien in der Landschaft. 2018 wurden im Iran acht Artenschützer*innen festgenommen, die für Persian Wildlife Heritage Foundation arbeiteten, und wegen eines absurden Spionage-Vorwurfs zu sechs Jahren verurteilt. Einer von ihnen starb nach einem Monat im Gefängnis.
Politische Gefangene
Wir vergessen nicht, dass auch zahlreiche Menschen wegen anderer Kämpfe, denen wir uns ebenfalls verbunden fühlen und in denen wir zeitweise mitwirken, eingesperrt sind. Menschen wie Jo, Dy oder Lina, die auf Grund von antifaschistischen Interventionen im Knast sitzen, während Nazis in Polizei und Armee weiterhin den bewaffneten Umsturz planen und Todeslisten führen. Die elf kurdische Menschen wie Mazhar Turan, denen vorgeworfen wird, für die PKK tätig gewesen zu sein und in der BRD zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt werden. Dabei hoffen auch wir auf einen ökologischen Aufbau, beispielsweise in Rojava.
Wir vergessen aber auch nicht diejenigen, die wegen „unpolitischer“ Sachen eingesperrt sind. Es ist längst erwiesen, dass Knast keine Probleme löst und vor allem dazu dient, Problem abzuschieben, nicht sie zu lösen. Deshalb wünschen wir uns eine Gesellschaft ohne Knäste mit Freiheit für alle Menschen!