Heute haben wir mit einer kleinen Gruppe von etwa 10 Menschen gegen die Verschärfung des Infektionsschutzgesetz und die damit verbundene Zentralisierung von Entscheidungen, Eingriffen in Persönlichkeitsrechte und autoritäre Tendenzen demonstriert. Mit genügend Sicherheitsabstand und schützender Vermummung setzten wir auf Solidarität und Information statt Repression und Polizeistaat.
Was jetzt in der Krise durchsetzbar ist, ist bei bei näherer Betrachtung ziemlich gruselig: Schließung aller Kultureinrichtungen, Ausgehverbote, Verbote sich mit Menschen zu treffen, sogar eine massenhafte Handyortung und damit eine Totalüberwachung der gesamten Bevölkerung wird ernsthaft diskutiert. Das Hauptproblem daran ist, dass solche Maßnahmen, einmal eingeführt, schwer sind wieder zurück zu drehen sind. Es steht zu befürchten, dass einige der neuen Befugnisse, in dieser Ausnahmesituation auf ihre Funktionsweise erprobt, etabliert bleiben und bei nächster Gelegenheit, mit geringer Hürde schnell wieder aus der Schublade geholt werden – ein Testballon um mal zu sehen wie weit sich die Gesellschaft darauf einlässt. Die Stimmung in Umfragen und in den Sozialen Netzwerken, solche und ähnliche Repressionsmaßnahmen ohne Bedenken hinzunehmen ist beängstigend. Gerade deshalb wollen wir das Ganze mit Kritik begleiten, um auch klarzustellen: Das darf kein Dauerzustand werden.
A
uch deshalb hatten wir die Demo angemeldet – um unser Recht auf Versammlungsfreiheit zu nutzen und damit zu verteidigen. Die Versammlungsbehörde hatte das bestätigt, der angeordnete Sicherheitsabstand von 2m wurde von der Behörde auch selbst in Augenschein genommen. Recht viel anwesende Presse war interessiert an unserer Motivation, die wir bereit willig erklärten:
In der Literatur gibt es zahlreiche Dystopien, die ganz gut ausmalen, zu was ein Überwachungsstaat führen kann – das ist auch gefährlich für unsere Gesellschaft, auf andere Art, mehr für unsere Freiheit als für unser Leben, aber ebenso gefährlich wie ein Virus. Denn was ein Leben lebenswert macht, ist vor allem die Freiheit es zu leben wie ich will. Dazu gehört es nicht gezwungen zu werden, Auskunft darüber zu geben, mit wem ich gerade geredet habe, wo ich unterwegs war oder gezwungen zu werden, eine Arbeit zu machen oder nicht machen zu dürfen, die ich will. Diese Freiheiten werden mit dem neuen Infektionsschutzgesetz beschränkt indem Auskunftspflichten eingeführt werden und Zwangsrekrutierungen möglich werden. Kompetenzen weiter zu zentralisieren, ist zudem alles andere als zielführend, gerade bei sich lokal anders entwickelnden Gefahrenlagen.
Anstatt lokal auf sich ändernde Gefahrenlagen zu reagieren wird immer mehr zentralisiert entschieden und geregelt. Menschen werden auf Linie gebracht, sollen unkritisch und gehorsam akzeptieren, was wenige entscheiden. Abweichung wird als „unsolidarisch“ oder „Verrat“ bezeichnet und wahrgenommen. Diese Entwicklungen erinnern fatal an starke Führer in einem autoritären Staat und sind ganz böse gesagt eine Blaupause für eine faschistische Machtübernahme. Nein, das ist nicht erstrebenswert, nie wieder – das wollen wir auch auf die Straße tragen.
Über Alternativen wird nicht nachgedacht, das lässt sich auch an den knappen Begründungen der Allgemeinverfügung der Stadt Kiel oder des Infektionsschutzgesetzes sehen. Alle haben nur Angst davor, nicht genug einzuschränken und zu verbieten. Gleichzeitig leiden darunter am meisten die Ärmsten: Die Obdachlosen, die nicht zuhause bleiben können, weil sie keins haben, die Geflüchteten auf den griechischen Inseln, deren Leid vergessen wird, die Leute mit prekären Jobs im Kulturbereich und in der Gastronomie, deren Gehalt ausfällt, die Betroffenen von unter Quarantäne-Bedingungen zunehmender häuslicher Gewalt und natürlich die Menschen im seit Jahren kaputt gesparten Gesundheitssystem, die jetzt alles am Laufen halten müssen.
Wir setzen auf Solidarität statt auf starre Regelungen – darauf, dass wir wieder lernen auf alle Mitmenschen achtzugeben. Information und Aufklärung statt Überwachung und Repression – auf Solidarität statt Denunziation. Alle Regeln, Gesetze und Strafen können diese notwendige Solidarität nicht erzwingen – wir müssen sie selbst wollen.