KRITISCHER AUFRUF: MIT POLIZEI UND INNENMINISTERIN GEMEINSAM GEGEN DEPORTATIONEN?

Wir haben uns viele Gedanken zum kommenden Protest gemacht. So sehr uns die Demos aktuell freuen, so kritisch blicken wir auf Anderes. Deshalb haben wir für Samstag einen eigenen Aufruf verfasst, den ihr unten findet. Außerdem wollen wir während der Kundgebung flyern und damit auf den tief verwurzelten Rassimsus in unserer Gesellschaft hinweisen. Ihr seid herzlich eingeladen, die Vorlage zu verwenden und in eurer Stadt ebenfalls zu verteilen (eventuell regional an manchen Stellen angepasst).

Hier findet ihr den Flyer als PDF: 2024flyer-afd-politik


KRITISCHER AUFRUF: MIT POLIZEI UND INNENMINISTERIN GEMEINSAM GEGEN DEPORTATIONEN?

Kommt am 27.01.24 um 11 Uhr auf den Rathausplatz Kiel, zur Kundgebung in Erinnerung an den Holocaust, gegen die AfD und den Rechtsruck! Doch seid euch bewusst, dass unsere Kritik weitgehender sein muss und nicht bei leeren Floskeln enden darf.
Einleitend möchten wir betonen, dass „Nie wieder“ für uns bedeutet, all den deportierten und ermordeten Jüd*innen zu gedenken. Dies gilt gerade, aber nicht nur am 27.01. Wir erinnern an den durch Faschist*innen betriebenen Holocaust und nehmen ihn als Mahnung aufmerksam zu sein. Es ist besorgniserregend, wenn Antisemitismus wieder zunimmt. Wenn Jüd*innen sich nicht sicher fühlen können, dann müssen wir aktiv werden. Begegnen wir den vereinfachten Welterklärungen, welche ihnen die Schuld an diversen Problemen zuschieben ebenso, wie dem offen gelebten Hass.
Leider endete der Faschismus 1945 nicht. Das Geheimtreffen in Potsdam knüpft an eben diesen Ideologie an. Wir begrüßen deshalb die bundesweiten Demos der letzten Wochen. Es freut uns, dass sich weite Teile der Gesellschaft für den Protest gegen die Deportations-Ideen der AfD und ihrer rechtsradikalen Sympathisant*innen mobilisieren lassen. Viele BIPoCs und migrantisierte Menschen schöpfen aus dieser Entwicklung neue Hoffnung. In Zeiten des Rechtsrucks kann dies kaum überschätzt werden.
Wir demonstrieren gerne mit euch allen gegen die AfD.
Gleichzeitig stehen wir der Versammlung durchaus auch kritisch gegenüber.

So sind als Redner*innen mal wieder vor allem Weiße Deutsche geladen. Eine alte Version (19.01.) der Redeliste führte keine einzige migrantisch gelesene Person. Dies zeigt mal wieder, wie wenig betroffene Menschen hier strukturell eingebunden sind. Inzwischen (23.01.) hat man die Liste erweitert. Zwei Redebeiträge werden von Vertreter*innen migrantisch geprägter Gruppen gehalten. Das ist grundsätzlich zu begrüßen. Gleichzeitig reduziert die Demo BIPoCs damit wieder einmal auf ihre Rolle als Migrant*innen. Denn alle Reden für Politik, Betriebe, Sport, Kultur, … werden nach wie vor von Weißen gehalten. So z.B. vom Oberbürgermeister der Stadt Kiel: Ulf Kämpfer. Der SPD-Politiker tritt gerne weltoffen auf. Dabei hat seine Partei in den letzten Monaten mehrfach das Asylrecht verschärft. Kritik daran hört man von ihm nicht.
Ebenfalls auf der Redner*innenliste: Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack. Sie ist Mitglied der CDU. Eine Partei also, die selbst immer wieder durch rassistische Äußerungen auffällt und das Asylrecht noch weiter einschränken will als die Ampel-Koalition es eh schon macht. Zu ihrem Ministerium zählt auch der Bereich „Polizeiabteilung“. Sie ist damit unmittelbar für Deportationen aus Schleswig-Holstein verantwortlich. Als Innenministerin war sie außerdem lange für das Abschiebegefängnis in Glückstadt zuständig, dessen zynisches Motto ‚Wohnen minus Freiheit‘ sie überzeugt als Werbung nutzte. Statt von Inhaftierten sprach sie verharmlosend lieber von „Bewohnern“. CDU und SPD gehen natürlich nicht so weit wie die AfD selbst. Trotzdem setzen sie mit ihrer Politik heute schon Forderungen der Rechtsradikalen um. Sie sind es auch, welche die EU-weite Untergrabung des Asylrechts (GEAS) mittragen.
Auch den DGB als Veranstalter möchten wir kritisieren. Er versammelt unter seinem Dach diverse Gewerschaften. Unter ihnen auch die GdP, die „Gewerkschaft der Polizei“. Bei der GdP handelt es sich um die größte Interessensgruppe von Polizist*innen in Deutschland. Diese ruft auch selbst explizit zur Demo auf. Zur Erinnerung: Ihre Mitglieder sind die gleichen Polizist*innen, die heute schon Deportationen von Menschen
durchzusetzen.

Im Januar letzten Jahres hatten deutsche Polizist*innen den Opositionellen Abdullohi Shamsiddin an ihre Kolleg*innen des totalitären Regimes in Tadschikistan übergeben. Er wurde direkt inhaftiert und kurze Zeit später zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Im August holten Polizist*innen mitten in der Nacht eine lesbische Frau aus einem Krankenhaus im Kreis Segeberg ab um sie nach Tunesien zu bringen. In dem nordafrikanischen Land kann Homosexualität mit einer Gefängnissstrafe geahndet werden. Und erst kurz vor Weihnachten sorgte die Polizei in Mecklenburg-Vorpommern für einen Skandal, als sie mit Spezialeinheiten, Rammbock und Kettensägen versuchte, die beiden älteren Söhne einer afghanischen Familie gewaltsam aus dem Kirchenasyl in Schwerin abzuschieben. Veranlasst hat das die Ausländerbehörde hier in Kiel, die auch mit den Polizeibeamt*innen in Schleswig-Holstein eng zusammenarbeitet.
Menschen, die von Abschiebungen unmittelbar bedroht sind, muss es wie Hohn vorkommen: Polizist*innen, die sie morgen vielleicht schon abschieben, demonstrieren heute mit ihnen gegen rechte Deportations-Gelüste. Die Demo ist damit kein sicherer Ort für sie. Aus diesem Grund unterzeichnen wir auch nicht den Aufruf der Gewerkschaften, sondern rufen hiermit seperat auf. Wir kämpfen mit den Betroffenen von Rassismus weiter für ein Bleiberecht von allen, die hier leben. Gegen die weiße Dominanz in unserer Gesellschaft! Gegen das faschistoide Weltbild einer ethnisch homogenen Volksgemeinschaft! Aber auch: Gegen die Einschränkungen des Asylrechts durch Union, SPD, Grüne und FDP! Ihre Politik bedroht schon heute migrantisierte Menschen und bereitet den Boden für die weiterführenden Fantasien der AfD.
Deshalb: No border, no nation – stop deportation!

Anmerkung: In einer früheren Version haben wir geschrieben, die Innenministerin sei zuständig für den Bereich “ Integration und Zuwanderung“. Dieser wurde inzwischen aber dem Sozialministerium zugeordnet.