Autoritarismus und Polizeistaat? Nein Danke!

Absurde Szenen, die sich manchen Menschen heute morgen rund um den Bahnhof boten: Horden von mehrheitlich jungen Männern, gleichfarbig gekleidet und einige von ihnen vermummt, ziehen als Pulk durch den Bahnhof. Immer wieder kommt es dabei zu geschauspielerten ‚Prügeleien‘ zwischen blau und schwarz angezogenen vermeintlichen Hooligans, die voll ausgestatteten und behelmten anwesenden Polizist*innen gehen immer wieder dazwischen, versuchen mit Prügel durch Schlagstöcke, Tritte, vermeintliches Pfefferspray, Rumbrüllen und Schubsen die Gruppen auseinanderzuhalten und getrennt aus dem Bahnhof zu bringen. Sogar Flaschen fliegen, es gibt lautstarke Fangesänge, bengalische Feuer und Rauchtöpfe werden gezündet. Dazwischen versuchen immer wieder Passant*innen, sich durch die Massen an lautstark Pöbelnden, klatschenden und brüllenden „Fußballfans“ einen Weg zu bahnen, um ihren Zug noch zu erwischen. Nur selten rufen diese dann kurz ‚Platz machen‘, unterbrechen ihr Spiel für eine kurze Weile.



Drumherum stehen unzählige weitere Polizist*innen in grünen Westen – Beobachter steht darauf. Auch diese weisen mehrfach Passant*innen darauf hin, dass sie ihren Standort zu verlassen haben, weil dort gleich Einsatzkräfte entlanggehen würden. Immer wieder sieht man als unbeteiligte Beobachter*in, wie sehr die Verprügelten grinsen, manchmal einen freudigen Handschlag und ein liebes Wort mit ihren Kolleg*innen und Vorgesetzten außerhalb des Kessels austauschen. Sie tragen Knieschoner und Bissschutz – Dinge, die auf einer Demo als ‚Schutzbewaffnung‘ und somit als Straftat gelten würden. Geht man aus dem Bahnhofseingang raus, sieht man zwei Drohnen den Platz der Matrosen aus der Luft überwachen. Wieder wird Pyro gezündet – diesmal deutlich größer. Von der anderen Seite des Bahnhofs wird ein Wasserwerfer vorgefahren, auch ein Räumpanzer ist im Einsatz.

Durch das Polizeischauspiel mit mehreren hundert Einsatzkräften aus Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg im Kieler Stadtgebiet sollte möglichst realitätsnah geprobt werden, wie der Staat die Kontrolle über größere Menschenmassen behalten kann.

Die Übung war auf ein Fußballszenario gemünzt – doch wie so oft muss klar sein, dass die Tragweite weit darüber hinausgeht und uns alle betrifft!


Bundesweit protestierten in den letzten Wochen tausende Fußballfans gegen die zunehmende Überwachung in Stadien. Geplant ist u.a. eine Vorverurteilung mittels Stadionverbot bei Einleitung von Ermittlungsverfahren, personalisierte Tickets und Videoüberwachung mithilfe gesichtserkennender künstlicher Intelligenz. Schon öfter wurden Überwachungs- und „Sicherheits“-taktiken – die eigentlich klare Einschnitte in Bürgerrechte sind – zunächst an Fußballfans ausprobiert, um sie dann nach und nach auf andere, weitere gesellschaftliche Bereiche zu übertragen.


Auch Berlin machte mit neuen Gesetzesplänen erst kürzlich Schlagzeilen: An belebten Orten sollen jetzt dauerhaft gesichtserkennende Kameras aufgestellt werden dürfen, etwa in Parks aber auch an beliebten Demonstrationsrouten. Es ist offensichtlich, dass dies dazu dienlich ist, politisch unliebsame Aktivist*innen einzuschüchtern und zu verfolgen. Doch auch in Kiel plant das Innenministerium Dauerüberwachung der Bevölkerung: Derzeit werden mehrere mobile Kameranlagen für die Bundespolizei in Schleswig-Holstein beschafft, die die Öffentlichkeit und somit uns alle an Orten wie dem Bahnhof und im Stadtteil Gaarden in Echtzeit überwachen sollen. Begründet wird dies ganz ausdrücklich und offen durch die rassistische ‚Stadtbild‘-Debatte, die die letzten Monate die Medienlandschaft prägte.


Und auch Übungen wie heute sind Teil dieser Kampagne – und haben eine nicht zu übersehende politische Komponente. Erst Ende September übte die Bundeswehr mithilfe der Polizei und verschiedenen anderen Institutionen in Hamburg Krieg („Red Storm Bravo“). Dabei gab es Simulationen von Protest, von Sitzblockaden, Pyrotechnik und Transparenten, welcher durch die Polizei beseitigt wurden.

In Zeiten, wo Gesetze immer schneller verschärft werden, wo Gelder für Soziales massivst gekürzt werden, wo z.B. durch die Wehrpflicht Massen an Menschen durch gewaltige Einschnitte in ihre freiheitlichen Rechte betroffen sind – in diesen Zeiten muss klar sein, dass solche Übungen von Polizeieinsätzen letztendlich auch dazu gedacht sind, die Allgemeinheit einzuschüchtern. Ihr wird so vorgeführt, dass eine zu laute Kritik an all dem jederzeit im Keim erstickt werden kann. Weiter tragen sie zu einer Normalisierung und Legitimierung von staatlicher Gewalt und Überwachung bei, wenn die Fußballfans von der Polizei offen als ‚Störer‘ bezeichnet werden.


Lasst uns nicht still dabei zusehen, wie Massenüberwachung ausgebaut und Freiheitsrechte wegen vermeintlicher Sicherheit abgeschafft werden – die Freiheit, spazieren zu gehen, sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen und andere Menschen zu treffen, ohne von Kameras und Künstlicher Intelligenz dauerüberwacht zu werden! Lasst uns laut bleiben und Kritik üben, immer dann wenn es nötig ist – und dafür kämpfen, dass das auch geht, ohne ständig und überall abgefilmt zu werden.

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