Bericht von der Knastgundgebung am 29.12. in Lübeck
Mit ca. 25 Menschen waren wir heute Abend in Lübeck vor der JVA demonstrieren. Mit zwei Redebeiträgen und Musik haben wir unsere Solidarität mit den Leuten ausgedrückt, die hinter der viele Meter hohen Mauer eingesperrt sind.
Wir waren da, weil wir den Gefangenen zeigen wollen, dass wir sie nicht vergessen haben. Weil wir es eben für keine Lösung halten, Menschen einfach wegzusperren und ihnen dabei unfassbar viel Gewalt anzutun, anstatt gesellschaftliche Probleme zu bekämpfen, von denen manche von den Herrschenden zu Straftaten erklärt werden. Weil Knast eben nicht die soziale Ungerechtigkeit, die Ausbeutung oder den tief verankerten Sexismus und Rassismus bekämpft, die jeden Tag Gewalt hervorbringen und Menschen töten. Weil das System, welches hinter Strafe und Knast steckt, eine wirkliche Bekämpfung all dieser Probleme viel eher verhindert und einer Auseinandersetzung mit all diesen Themen, die dazugehören, im Weg steht.
Aus all diesen und aus noch mehr Gründen gehen Anarchist*innen seit vielen Jahren schon zum Jahresende zu Gefängnissen. Die Polizei war heute mit einem Aufgebot von ca. 30 Kräften in Zivil und in Uniform vor Ort, filmte ohne Angabe von Gründen die Demonstrierenden und patroullierte mit Polizeihunden.
Neben der Musik und den Redebeiträgen wurde auch mit Anwohnenden diskutiert, und getanzt. Zum Ende erschien dann noch ein bunt leuchtendes Feuerwerk am Himmel.
Wir waren dieses Mal auch deshalb in Lübeck, weil vor ein paar Monaten ein*e Klimaaktivisti für eine Woche dort eingesperrt wurde – allein deshalb, weil ein Richter sich gekränkt fühlte, weil die Person nicht für ihn aufstehen wollte und sich nicht einfach das Wort nehmen ließ.
Doch nicht nur in Lübeck sitzen Menschen eingesperrt dafür, dass sie sich für eine bessere Welt einsetzen. Klimaaktivisti Thea musste in diesem Jahr mehrere Monate in Untersuchungshaft, weil dey vorgeworfen wurde, in Lützerath Gewalt gegen Polizist*innen angewendet – konkret mit Blut gespuckt – zu haben.
Dieses Jahr wurde Antifaschist*in Maja unter unfassbaren Umständen nach Ungarn ausgeliefert, weitere Antifas wie Nanuk, Tobi, Nico, Hanna und viele andere wurden inhaftiert oder blieben eingesperrt. Einige sind untergetaucht oder auf der Flucht, und erwarten hohe Haftstrafen. Erst vor kurzem wurden Aktivist*innen der Letzten Generation in Itzehoe zu 6 und 7 Monaten Knast ohne Bewährung verurteilt, weil sie auf Sylt gegen den ungerechten und klimakillenden Luxus der Superreichen demonstriert und dabei Privatjets angemalt haben sollen. Und auch im Rheinland wurden wieder Menschen zu 9 Monaten ohne Bewährung verurteilt, weil sie ein Kohlekraftwerk blockiert haben sollen. Diese erstinstanzlichen hohen Verurteilungen (die meist von höheren Gerichten aufgehoben werden) und die teils öffentlichen Fahndungen sollen vor allem eins: Einschüchtern.
Wenn der Staat also versucht uns zu brechen, uns davon abzuhalten weiter aktiv zu sein für ein besseres Morgen, dann lasst uns dagegen zusammenstehen. Am 28.12.24 taten das zum Beispiel ca. 30 Antifaschist*innen in Kiel Gaarden: Unter dem Motto ‚Free all Antifas – Solidarität und Kraft in Untergrund und Knast‘ zogen sie lautstark im Schein von bengalischen Feuern durch die Straßen, unangemeldet und kämpferisch.
Unser erster Redebeiträge:
Moin!
Ich weiß nicht, ob ihr mich da drinnen hören könnt und falls ja, ob ihr meine Stimme erkennt.Jedenfalls habe ich euch nicht vergessen und bin mit vielen Freund*innen wieder gekommen.
Gerade in der dunklen Jahreszeit, zwischen Weihnachten und Neujahr, wenn viele draußen feiern, ist es hart, eingesperrt zu sein, Freund*innen oder Familie zu vermissen und sich zu fragen, ob es draußen irgendwen kümmert, was drinnen passiert. Deshalb möchten wir euch heute ein Zeichen senden, dass ihr nicht vergessen seid, dass wir an euch denken.
In diesen Zeiten gibt es so viele, die schreien nach härteren Strafen. Wahlweise interessiert es sie nicht was hinter Gefängnismauern passiert oder sie meinen, mit Kriminellen dürfen der Staat und seine Vertreter*innen wie die Schließer*innen alles machen. Ein aktuelles Beispiel mit Berichten von Folter im Augsburger Gefängnis zeigt, wie viel passieren kann, wenn Menschen Macht über andere gegeben wird. Selbst die Berichte dazu zeigen, wie weit verbreitet es ist, Kriminellen nicht zu glauben, stets wird die Unschuldsvermutung für die armen Schließer*innen betont, was sonst der Presse selten wichtig ist. Obwohl ich schon viel gewöhnt bin, fand ich wieder mal beachtlich, wie sehr hier mit zweierleit Maß gemessen wird. Dabei gilt: Gerade wenn der Staat Menschen in seiner Gewalt hat, ist es wichtig ein Auge darauf zu haben – auch deshalb sind wir heute hier.
Im Juli war ich eine Woche hinter diesen grauen Mauern eingesperrt, weil ich einem Richter den Respekt verweigert habe und nicht aufgestanden bin. Er schien persönlich beleidigt und hat mich eine Woche in den Knast stecken lassen, direkt, aus dem Prozess heraus. Wie viele Menschen hasse ich es eingesperrt zu sein und dennoch hat mir die mittlerweile mehrfache Bekanntschaft mit diesem Knast vor allem eines gezeigt: Alle die der Staat einsperrt sind vor allem Menschen, oft Menschen mit ganz vielen Problemen, die durch die Haft oft nur schlimmer werden. Denn dann ist zum Beispiel die Wohnung weg, der Job weg und danach etwas neues zu finden mit den Haftentlassungspapieren führt zu Scham und Schwierigkeiten.
Ich bin froh diese Menschen, diese Frauen kennen gelernt zu haben, denn es waren auch die gleichen Frauen, die mir geholfen haben, Menschen, die als ich nichts hatte, geteilt haben und sich oft um die Jugendlichen gekümmert haben – welche die staatlichen Büttel nur in ihre Zellen geschlossen hatten. Diese Menschen sind die gleichen Kriminellen, von denen die Gesellschaft nichts wissen will.
Ich stehe nicht nur hier, weil ich mich an die Tage erinnere, an denen ich selbst hier eingesperrt war, sondern vor allem deshalb, weil ich immer noch Anarchistin bin und jede Herrschaft ablehne. Und der Knast ist einer der Orte, an dem Herrschaft und die Gewalt die sie erzeugt, am sichtbarsten sind. Deshalb ist es eine anarchistische Tradition, zu Silvester vor die Knäste zu ziehen und ihre Abschaffung zu fordern – was wir heute auch hier tun.
Wäre die heutige Gesellschaft ohne Knäste vorstellbar? Wahrscheinlich nicht. Denn Gefängnisse sind eine einfache Möglichkeit mit denjenigen umzugehen, die sich nicht an die herrschenden Regeln halten, egal ob aus Überzeugung, aus der Not heraus oder einfach aus Unwissen. Probleme werden so weg gesperrt statt gelöst und ausdiskutiert. Das damit auch immer realen Menschen Leid zugefügt wird, ist wenig Thema.
Ich träume von einer Welt mit weniger Gewalt, auch und vor allem mit weniger institutionalisierter Gewalt, eine Welt in der nicht der Staat Menschen an den Grenzen ertrinken oder in den Wüsten verdursten lässt, in der kein Polizeiknüppel diejenigen trifft, die nicht einverstanden sind und in denen nicht Menschen in Knäste gesperrt werden, weil sie ein Problem mit Drogen haben. Ich träume von einer Welt ohne Herrschaft, in der kein Mensch über einen anderen bestimmen darf und in der wir frei sind, zu tun, was wir wollen und unsere Konflikte miteinander lösen statt über den Staat. Es ist ein weiter Weg zu dieser Welt, aber es lohnt sich dafür zu kämpfen, für eine Welt ohne Polizei, Gerichte und Knäste, heute und an jedem anderen Tag!
Freiheit für alle Gefangenen!
Bericht von der Kundgebung vor der Abschiebeggefängnis in Glückstadt am 31.12.
Dieser Bericht stammt von der Kampagne gegen das Abschiebegefängnis in Glückstadt von der wir Teil sind:
(Freiheit, Freiheit, Freiheit) schallte es gestern, am 31.12.2024 zusammen mit lauter Musik und Grußworten über die Mauern des Abschiebegefängnisses in Glückstadt. Ca. 150 Menschen waren zusammengekommen, um auch zum Jahreswechsel den Gefangenen noch einmal lautstark zu versichern, dass sie nicht vergessen sind und dass wir solidarisch weiterkämpfen werden, bis dass der Knast wieder schließt!
Neben verschiedensprachigen Grußworten und Redebeiträgen der Besuchsgruppe, Kampagne und einer anarchistischen Initiative aus Hamburg, wurde noch mit Amirarshia live über Lautsprecher telefoniert, der kurz vor der Kundgebung noch von der Besuchsgruppe im Knast besucht worden war.
Amirarshia und sein Bruder Amin kommen beide aus dem Iran, schlossen sich dort der feministischen Revolution an und flohen nach Deutschland. Ihre Eltern und ihr Bruder leben zur Zeit in Eckernförde. Kurz nach ihrer Inhaftierung am 10. Dezember traten sie in einen langanhaltenden Hungerstreik.
Wir werden auch 2025 nicht nachlassen und freuen uns, dass wieder so unfassbar viele Menschen selbst an Silvester nach Glückstadt gekommen sind und mit uns laut waren! Danke an die Menschen, die sich in der Kälte darum gekümmert haben, dass es heiße Getränke zum wärmen gibt! Danke an Waldinsel Records für die Technik, die dafür sorgt, dass unsere Grüße und die Musik sicher über die Knastmauern schaffen!
2025 ohne Abschiebehaft!
Kein Abschiebegefängnis in Glückstadt und anderswo, Freiheit für alle Gefangenen!