Demo zum Internationalen Tag gegen Polizeigewalt

Zum internationalen Tag gegen Polizeigewalt waren wir auch in Kiel auf der Straße. Gegen 17:00 Uhr fanden sich ca. 100 Demonstrant*innen auf dem Vinetaplatz in Gaarden ein. Nach Redebeiträgen vom Stadtteilladen Anni Wadle zur Aufrüstung der Polizei und Polizeigewalt in Gaarden und dem Nara (Netzwerk antirassistische Aktion) zu Polizei und Rassimsus und Flucht, ging es zur Zwischenkundgebung an der Polizeiwache Gaarden. Dort folgten ein Redebeitrag von der Feministischen Antifa Kiel zu transformativer Gerechtigkeit und der Redebeitrag einer Person, die heftige Polizeigewalt am eigenen Leib erfahren hat. Von dort aus ging es dann lautstark rüber zum Westufer, bis zur Falkwache. Auf dem Weg dorthin waren laute Rufe wie ‚Oury Jalloh das war Mord – Widerstand an jedem Ort!‘ oder ‚So, so, so viele Einzelfälle!‘ zu hören. Auf der Abschlusskundgebung hörten wir dann noch unseren eigenen Redebeitrag von und einen Audioredebeitrag der Kampagne Justice4Mouhamed.

Hier gibt es unseren Redebeitrag:

Wir als Klimagerechtigkeitsaktivist*innen haben zu Genüge Erfahrung mit Polizeigewalt, mit dem Einsatz von Schmerzgriffen, wenn wir weggetragen oder gezerrt werden, weil wir uns mal wieder Nazis in den Weg gesetzt haben oder Umweltzerstörung blockier haben. Ich weiß gut genug wie Pfefferspray schmeckt und bin nur allzu gewöhnt daran, mal wieder auf der Polizeistation eingesperrt zu werden und den ganzen alltäglichen Demütigungen ausgesetzt zu sein, die dort so an der Tagesordnung sind. Das ganze wohl wissen, dass ich noch priviligiert bin gegenüber vielen anderen, die dort landen, weil es in der Regel Menschen kümmert, was mit uns passiert und wir Möglichkeiten haben, etwas an Öffentlichkeit zu schaffen. Mit der Verschärfung der Polizeigesetze in den letzten Jahren hat auch die Repression gegen Klimagerechtigkeits- und antifaschistische Aktivistis zugenommen. Wir merken die stetig voranschreitende Einschränkung von unseren Freiheiten direkt bei unseren Aktionen durch Polizeigewalt oder im Nachhinein wenn demonstrative Akte wie das Abseilen über Autobahnen heftig verfolgt werden und ich mich weniger frage, ob ich im Knast lande, sondern eher wann.  

Die Erfahrungen durch Polizeigewalt teilen alle, die sich dem Staat entgegen stellen, egal in welchem spezifischen Politikbereich sie sich jetzt engagieren. Nun, ich habe mich immerhin entschieden, aktiv zu sein, die meisten, die ähnliche Erfahrungen mit Polizeigewalt teilen haben schlicht das Pech, kein Geld und somit keine Macht zu haben oder auf Grund ihres äußeren Erscheinungsbilds diskiminiert zu werden.  
Wenn ich von den Gewalterfahrungen durch die Polizei berichte, begegnen mir unterschiedliche Muster. Eins geht in die Richtung: Dann werdet ihr es durch irgendwas verdient haben. Für viele Menschen dürfen Gesetzesbrecher*innen beliebig misshandelt werden – mit globalen Menschenrechten oder Gleichberechtigung hat das nichts zu tun. Fast eben so oft begegnet mir Staunen, die deutsche Polizei würde so etwas doch nie machen. Das war bestimmt ein Einzelfall, wird dann entgegnet, die meisten Polizsit*innen sind doch in Ordnung und außerdem ist dann vielleicht ein Verwandter Bulle und der ist doch ganz in Ordnung. 
Ja, vielleicht ist er das auch privat. Aber Menschen verändern sich, wenn sie eine Uniform anziehen. Sie sind dann Repräsentanten des Staates und dementsprechen wichtig und überlegen fühlen sie sich dann auch. 
Auch strukturell ist es so: Den Staat zu repräsentieren heißt von ihm damit beauftragt worden zu sein, Gewalt auszuüben, nichts anderes ist das Prinzip des staatlichen Gewaltsmonopols. Die Regierung ist mit der Exekutive, das heißt mit der Ausführung der Gesetze beauftragt und mir der Durchsetzung – im Zweifel mit Gewalt.
Kern von diesem Regierungsauftrag ist es, die Ordnung zu erhalten. Das heißt immer die herrschende Ordnung, nicht eine, die wir uns vielleicht wünschen würden oder auch nicht. Die herrschende Ordnung heißt der Kapitalismus muss bleiben. Reiche und deren Reichtum müssen beschützt werden. So  ist es Aufgabe der Polizei, also ihr direkter Auftrag, Ausbeutung von Menschen, Tieren und der Natur zu schützen. Das ist institutionell so bestimmt, es sind nicht die einzelnen Cops, die das entscheiden, sondern es ist von vorneherein ihr Auftrag. So funktionieren Staaten.
Um diese herrschende Ordnung zu beschützen, bestimmt der Staat wer Gewalt ausüben darf und wer nicht. Er überträgt die Gewaltausübung bestimmten Institutionen. Darunter fallen auch Knäste oder Behörden wie Jobcenter, Ausländer- bis Schulbehörden oder das Militär. Für uns präsent ist jedoch meistens die Polizei. Sie ist vom Staat explizit ermächtigt, Gewalt auszuüben um „Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ abzuwenden – so steht es in den Polizeigesetzen, welche die Rechtfertigung für ihr Handeln bilden.
Es gibt Experimente dazu, in denen eine Gruppe willkürlich eingeteilt wurde und der einen Gruppe der Auftrag erteilt wurde, Macht und Gewalt über die andere auszuüben, zB bei einer Einteilung in Gefängnisinsassen und Wärterinnen. Die sind ziemlich gruselig und zeigen sehr deutlich, dass der Auftrag zur Gewaltausübung sich verselbstständigt. Aber es ist auch logisch: Wer sich daran gewöhnt, Gewalt auszuüben, macht das immer alltäglicher und auch immer mehr. Es normalisiert sich. Deshalb ist Polizeigewalt schon in der Institution Polizei angelegt – als ihr offizieller Auftrag. Damit ist es kein Wunder, dass Polizeiübergriffe an der Tagesordnung sind.
Zusätzlich ist die Polizei eine sehr autoritäre und abgeschlossene Struktur. Sie beruht auf dem Prinzip von Befehl und Gehorsam und erzeugt durch die Notwendigkeit, die Außenstehenden zu kontrollieren, ein wir-gegen-die anderen-Gefühl, also eine sehr starkes Gruppengefühl. Solche autoritäre Strukturen ziehen autoritäre Charaktere an, also Menschen die Lust daran haben, Gewalt und Macht auszuüben, insbesondere Rechte und Rechtsextreme. Deshalb auch kein Wunder dass der Anteil an Rechten  in der Polizei besonders hoch ist. Das führt wiederum dazu, dass sich dort weitere Vorurteile reproduzieren und zu noch mehr Polizeigewalt gegenüber marginalisierten Gruppen. Auch das ist also schon in der Funktionsweise der Polizei an sich angelegt – wir sollten uns also nicht über auftauchende rechtsextreme Chatgruppen wundern oder diese als Einzelfälle betrachten.
Polizeigewalt ist weder Einzelfall noch Zufall. Die Polizei an sich ist das Problem und alle, die sich entschieden haben, ihr beizutreten. Und auch wenn der verwandte Cop vielleicht ein netter Mensch ist, hat er sich entschieden in diese gewalttätige Institution einzutreten und auf Befehl Gewalt auszuüben. Eine Entscheidung, die kritisiert werden kann uns muss. So tragen wir alle Verantwortung, diejenigen die sich entscheiden, Cops zu werden und diejenigen, die sich entscheiden, diese Strukturen weiter zu unterstützen.  Deshalb denkt nach über Alternativen zur Polizei. Die meisten Probleme lassen sich viel besser ohne Cops lösen. 
Lasst uns also die Polizei abschaffen!
No Justice no peace, fight the police!