Mit ca. 70 Leuten waren wir vergangenen Donnerstag (21.9.) gemeinsam vorm Rathaus in Kiel um mit unserem Protest den Antrag der Linken und der Partei die Partei bezüglich einer Positionierung der Ratsversammlung gegen das Gemeinsame Europäische Asylsystem (GEAS) zu unterstützen. Kiels Label als ’sicherer Hafen‘ soll nicht nur Symbolpolitik sein, sondern Praxis – und das würde bedeuten sich entschieden gegen die menschenverachtenden Verschärfungen des GEAS zu stellen!
Während vor dem Rathaus in zahlreichen Redebeiträgen deutlich gemacht wurde, dass das Zustimmen zu dem GEAS mit Respekt vor Menschenwürde in keinster Weise zusammenpasst und zu nichts anderem als weiteren Toden von Menschen auf der Flucht führen wird, hielt Tamara Mazzi im inneren des Rathauses vor der Ratsversammlung eine starke Rede.
Der Antrag wurde in seiner ursprünglichen Form, die eine klare Ablehnung des GEAS forderte abgelehnt, angenommen wurde ein stark abgeschwächter Antrag des Bündnisses aus Grünen, SSW und SPD. Das GEAS sollte nicht strikt abgelehnt, sondern nur stark kritisiert werden und Änderungsbedarf angemeldet werden. In ihrer Begründung der Ablehnung des Antrags von der Linken und der Partei kamen sie nicht ohne eine gewisse Abwertung der Rede von Mazzi aus, sie hätte sehr emotional gesprochen, man selber wolle selbstverständlich das gleiche, Menschenwürde stünde an erster Stelle – doch konstruktives Zusammenarbeiten auf allen Ebenen sei einer eindeutigen Ablehnung vorzuziehen.
Der Ablauf des Antrages in der Ratsversammlung wurde von einigen Teilnehmer*innen der Kundgebung von innen mitverfolgt – allerdings erst nach längerer Schikane und Taschendurchsuchungen von der Polizei. Dem Protest derjenigen, die dagegen hielten, dass die Öffentlichkeit nicht aus der Ratsversammlung ausgeschlossen werden dürfe, hielt die Polizei entgegen, dass das jetzt aber so sei und sie die genaue Rechtslage nicht kenne und das jetzt prüfen werde. Schließlich könne die Hausverwaltung auch Taschenkontrollen anordnen, was diese durch den starken Nachdruck des Polizeibeamten tat.
Auf der Tribüne blieb die Polizei mit drei Beamt*innen dann freundlicherweise gleich bei den betroffenen Personen stehen, nachdem sie vor Einlass insgesamt vier mal androhte, die Tribüne räumen zu lassen, sollte es zu störendem Verhalten kommen.
Insgesamt bedarf es noch viel mehr Protest gegen die Verschärfung des GEAS und die rassistische Migrationspolitik Europas und auch Deutschlands. Wir können uns dabei nicht auf vermeintlich progressive Politiker*innen von SPD und Grünen verlassen, das hat dieser Tag mal wieder genauso gezeigt wie die zahlreichen Äußerungen von prominenten Politiker*innen dieser Parteien klar in Richtung mehr Abschottung, mehr Überwachung, mehr Kriminalisierung von Flucht und Migration. Wir müssen selbst noch viel latuer werden und nichts weniger fordern als:
Rede von TKKG bei der Kundgebung:
„Poltisch verfolgte genießen Asyl“, so steht es in der Ursprungsfassung des Grundgesetzes von 1949. Seit 1993 wird dieser humanitäre Grundsatz immer weiter ausgehöhlt. Genährt durch eine rassistische Kampagne der CDU/CSU zusammen mit der Springer Presse seit den 80er Jahren und nach massiven ausländerfeindlichen und rassistischen Ausschreitungen in Rostock Lichtenhagen, Hoyerswerda und weiteren Städten, Angriffen auf Asylbewerberheime im ganzen Bundesgebiet und rechtsextremen Angriffen und Morden wurde das Grundrecht auf Asyl im sogenannten Asylkompromiss mit den Stimmen der Union, FDP und SPD massiv eingeschränkt.
Heute sind mehr Menschen auf der Flucht als jemals zuvor seit 1945. Flucht auf Grund von Krieg wie in der Ukraine oder dem Sudan, politischer Verfolgung oder aufgrund der sexuellen Orientierung wie im Iran oder Ägypten, Flucht aufgrund von Hunger und wirtschaftlicher Aussichtslosigkeit wie in Somalia, oder Kenia. Dies sind nur einige Beispiele die lange fortgesetzt werden könnten.
Die Klimakatastrophe verschärft viele Fluchtursachen zusätzlich. Extremwetter nehmen zu, Dürren verschärfen sich, Konflikte um Ressourcen werden zunehmen. Anfang des Monats kam es zu extremen Regenfällen in Libyen. Bis zu 20.000 Tote werden befürchtet. Infrastruktur und die Lebensgrundlage für viele Menschen wurde zerstört. Am Horn von Afrika herrscht die schlimmste Dürre seit 40 Jahren. Ernten können nicht eigefahren werden, es gibt nicht ausreichend Trinkwasser – Menschen müssen Hungern. Viele sterben. Millionen Menschen wurden vertrieben. In Zukunft kommen weitere klimabedingte Fluchtursachen dazu. Bis 2050 werden viele Landstriche im globalen Süden aufgrund von Hitze unbewohnbar. Der Bevölkerung bleibt nichts anderes übrig als ihre Gebiete zu verlassen.
Laut UN Flüchtlingshilfe mussten im Jahr 2022 rund 33 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Naturereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen sowohl kurz- als auch langfristig verlassen. Über 140 Millionen könnten es laut Welt Hunger Hilfe bis 2050 werden.
Die Folgen des menschengemachten Klimawandels sind seit Jahrzehnten bekannt und werden mindestens genauso lange herunter gespielt. Heute bleibt uns kaum noch Zeit um effektiv gegenzusteuern. Die Frage ist nicht mehr wie wir die Klimakatastrophe verhindern, sondern wie wir die Folgen möglichst gering halten können.
Über die Hälfte der Menschen fliehen im eigenen Land. Die meisten, die über Ländergrenzen hinweg fliehen gehen in direkte Nachbarländer. Nur wenige versuchen den Weg auf der Suche nach Sicherheit und einem besseren Leben in Europa. Europa, dass 2012 den Friedensnobelpreis unter anderem für die Förderung von Menschenrechten erhalten hat. Europa, dessen Außenmauer die tödlichste der Welt geworden ist. Von 1993 bis Juni diesen Jahres gab es 52.760 bestätigte Todesfälle an der Festung Europa. Dazu eine unbekannte Dunkelziffer. Und die EU macht alles um es den Menschen auf ihrem Weg so schwer wie möglich zu machen. Brutale illegale Puchbacks, bewusstes wegsehen und sterben lassen von Menschen in Seenot, Zusammenarbeit mit der libyschen Küstenwache die die Menschen in Foltergefängnisse auf dem Festland bringt. Abkommen mit Staaten in Nordafrika und der Sahelzone damit die Menschen gar nicht erst in die Nähe Europas kommen. Um es zynisch auszudrücken: Europa ist gut vorbereitet auf weitere Geflüchtete.
Mit der Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems wird dafür der nächste Schritt getan. Geflüchtete sollen an den Eurpäischen Außengrenzen über Monate in Lager gesperrt werden um dort auf die Entscheidung ob überhaupt ein Asylverfahren eingeleitet wird abzuwarten. In den Lagern die nach EU Definition gar nicht auf dem Boden der EU sind und somit auch das europäische Rechtssystem nicht gilt wird nur darüber entschieden, ob Menschen über einen sicheren Drittstaat eigereist sind und demnach in dieses abgeschoben werden können. Indiviuelle Fluchtgründe spielen dabei keine Rolle. Was dabei als sicher gilt entscheidet die EU. Auch die bereits seit Jahren praktizierten menschenverachtenden Pushbacks an den Europäischen Außengrenzen werden legalisiert.
Die aktuellen Regierungsparteien die in ihrem Koalitionsvertrag noch die illegale Zurückweisung und das Leid an den Außengrenzen beenden wollten überbieten sich in eigenen Aussagen darin ihren eigenen Koalitionsvertrag zu brechen. Ricarda Lang Bundesvorsitzende der Grünen möchte die Zahl der Ankommenden Geflüchteten verringern, die FDP die europäische Grenzschutzfähigkiet verbessern, Bundesinnenmisterin Nancy Faser selbst hat dem GEAS auf europäischer Ebene zugestimmt und verteidigt. Seit Wochen verkündigt sie eine weitere Maßnahme nach der nächsten um Migration nach Deutschland weiter zu erschweren. Währenddessen fällt dem deutschen Bundespräsidenten Frank Walter Steinmeier zur unwürdigen Situation der Geflüchteten auf Lampedusa nichts besseres ein als Mitleid mit Italien und ebenfalls einen ruf nach strengeren Kontrollen und Überwachung der europäischen Außengrenzen. Sein Hauptziel ist dabei nicht das es allen Menschen vor Ort besser geht sondern das die Lasten für europäische Staaten Zitat „tragbar bleiben und die Zahl der ankommenden wieder sinken“. Bei den noch weiter gehenden Äußerungen der Unionsparteien und der AFD möchte ich gar nicht erst anfangen.
Was wir brauchen sind sichere Fluchtrouten und solidarische Verteilmechanismen in der europäischen Union die die Bedürfnisse der Geflüchteten berücksichtigen. Menschen die nach Europa kommen sollen schnell und unkompliziert die Möglichkeit bekommen zu arbeiten und sich hier ein Leben aufzubauen ohne ständig in Angst leben zu müssen nachts abgeschoben zu werden. Die Lager an den europäischen Außengrenzen müssen aufgelöst werden und die Länder entlastet werden. Die Regelungen des GEAS machen genau das Gegenteil.
Wir können uns auf die Politiker*innen nicht verlassen. Eine starke Zivilgesellschaft ist gefragt um mit allen Mitteln gegen die faktische Abschaffung des Rechts auf Asyl anzukämpfen.
1993 gab es große Proteste gegen den Asylkompromiss. Während der Abstimmung legten zehntausende Demonstrierende das Bonner Regierungsviertel lahm. Abgeordnete mussten per Schiff oder Hubschrauber zum Bundeshaus gebracht werden. Leider ist der Aufschrei und der Protest in unser jetzigen Situation in der erneut das Recht auf Asyl weiter eingeschränkt werden soll nicht so stark. Und doch wäre es so wichtig jetzt ein entschlossenes Zeichen zu setzen gegen diese Scheiße, die auf europäischer Ebene umgesetzt werden soll.
Lasst uns kämpfen, nicht nur für eine Welt in der der Satz „Politisch verfolgte genießen Asyl“ der Realität entspricht, sondern für eine Welt ohne Staaten, ohne Grenzen und für Bewegungsfreiheit für alle!