Decolonise Sápmi

Mit rund 40 Menschen an Land und auf dem Wasser haben wir gestern an der Kiellinie in Solidarität mit den Sami demonstriert. Mit dabei war Henrik, Rentierhüter aus Sapmi, der von der alltäglichen Bedrohung durch die Abholzung der Wälder in seiner Heimat berichtete. Zuvor war er mit anderen, begleitet von fünf Polizeibooten, auf Kanus über die Förde am Ostuferhafen vorbeigefahren, direkt am SCA-Standort, wo jedes Jahr 800.000 Tonnen Holz aus Sapmi importiert werden. Auf den gerodeten Flächen entstehen Windparks, weshalb von ‚grünem‘ Neokolonialismus gesprochen wird. Die Kolonialisierung der Samen, die seit jeher nachhaltig in Sapmi gelebt haben, führt sich damit fort. So sieht keine Klimagerechtigkeit aus!

Am abend ging es dann weiter im Fahrradkinokombinat – mit einer ausführlicheren Infoveranstaltung. Dort waren wir ca. 50 Leute!

Vielen Dank an die angereisten Leute für die Orga! Solidarität mit den Samen, burn Colonialism, not the planet!

Unser Redebeitrag:

Klimaschutz muss solidarisch sein! Das zeigt sich wunderbar an unserem heutigen Versammlungsgrund.
Erstenmal vielen Dank für euer Engagement und die Reise, die ihr auf euch genommen habt, um mit eurer Infotour auf die fortgesetzte Ausbeutung von der Sámi und ihres Landes aufzuklären. Die Sámi sind ein indigènes Volk, deren Gebiet im Norden Skandinaviens und Russlands liegt und Sápmi genannt wird. Heute verlaufen durch das Gebiet die Grenzen der kolonialistischen Länder Norwegen, Schweden, Finnland und Russland. Wie auch an vielen anderen Orten wurde Sápmi in Form von Landraub, Verbot der Kultur und Sprache kolonialisiert, allerdings ist der Kolonialismus heute nicht verschwunden. Inzwischen hat er nur eine andere Farbe: Und zwar Grün!
Genauso wie Deutschland hat auch Schweden sich nur oberflächlich dem Grünen Wandel verschrieben. Das schwedische Unternehmen SCA ist einer der führenden Hersteller für Holzfaser- und Hygieneprodukte, wie z.B. Klopapier. Diese Firma mit Nebensitz in Kiel holzt stetig große Mengen an den wenigen verbliebenen Naturwäldern Schwedens ab. 800.000 Tonnen Holz aus Schweden werden jedes Jahr alleine über den Kieler Hafen nach Deutschland importiert. Ersetzt werden diese Urwälder durch Monokulturen, welche die Biodiversität zerstören. Dieser Grüne Kapitalismus zerstört die Gebiete der Sámi und nimmt ihnen damit die Lebensgrundlage. Es ist nicht nur die Forstwirschaft, sondern auch der riesige Energieverbrauch durch die vielen neue entstehenden „Mega Factories“, wo dann zum Beispiel grüner Stahl oder Autobatterien hergestellt werden. Diese Energie soll durch Windparks und Staudämme gewonnen werden und die Ressourcen dafür aus Minen kommen. Wenn man jetzt noch die vielen dafür geplanten Infrastrukturprojekte hinzuzählt, wird einem das Maß an der geplanten Zerstörung der Wälder und der Landschaft vielleicht annähernd bewusst. Unter dieser sogenannten grünen Transformation leiden vor allem die dort lebenden Sámi, deren Rentieren ihr Weideland und ihre Routen genommen werden oder deren historische Orte überschwemmt werden.
Die Konsequenzen erleben und sehen wir aber auch alle. Ein Blick auf Fichtenmonokulturen in deutschen Wäldern zeigt uns im Zusammenhang mit dem Klimawandel auch unmittelbar, wie sie mit zunehmender Trockenheit anfällig für den Borkenkäfer werden. 
Diese kapitalistische & kurzsichtige Forstwirtschaft zerstört die Lebensgrundlage vieler Arten. In Sápmi finden die Rentiere kein Futter, weil die Baumflechten in den alten Wäldern verschwinden.
Indigene Völker haben im Gegensatz zu modernen konsumorientieren Gesellschaften eine nachhaltige Beziehung zu Ressourcen und zur Natur, doch gerade sie sind am meisten betroffen von grünem Neokolonialismus! In Nord- und Südamerika, in Afrika und in Australien, aber nicht zuletzt in Sápmi kämpfen indigene Menschen gegen die Extraktion der Rohstoffe und stellen sich so der fossilen Lobby in den Weg – oft mit tödlichen Konsequenzen für die jeweiligen Aktivist*innen.
Auch SCA stellt mit Holzpellets eine grün gewaschene Heizalternative her, deren CO2-Bilanz gnadenlos durch EU-Regelungen schön gerechnet wird. Im EU-Zertifikathandel gilt das Verbrennen von Biomasse nicht als Ausstoß von CO2, da es Teil eines „natürlichen“ CO2-Kreislaufs sei, in dem Bäume CO2 aus der Atmosphäre holen, um dann wieder verbrannt zu werden. Michael Norton, wissenschaftlicher Beirat der Europäischen Akademie der Wissenschaften sagt hierzu in einem Interview mit dem Bayrischen Rundfunk : „Da geht ein CO2-Schub in die Atmosphäre, und bleibt dort bis neue Bäume nachgewachsen sind. Was bekanntlich nicht über Nacht passiert, sondern 30, 40 oder sogar 60 Jahre dauert.“ Diese Zeit haben wir nicht. Der Klimawandel ist jetzt schon in vollem Gange.
Das am 1. Januar diesen Jahres in Kraft getretene Lieferkettengesetz sieht vor entlang der gesamten Lieferkette von Zulieferern zu gewährleisten, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Es sollen unter anderem Menschen vor Landraub und Umweltzerstörung geschützt werden. Wie ist das vereinbar mit einem Unternehmen wie SCA und dem Landraub an den Sámi? Die letzten verbliebenen europäischen Naturwälder für klimaschädliche Holzpellets und Klopapier abzuholzen ist inakzeptabel. Diese Politik ist für den Arsch, damit kann man sich den Hintern abwischen.
Fossile Energieerzeugung hat schon genug zerstört. Mit einem echten grünen Wandel und sozialgerechten Lösungen haben wir die Chance aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen – ohne dabei marginalisierte Gruppe wie indigene Völker erneut zu vertreiben und zu unterdrücken.
Es liegt mit in unserer Verantwortung, die Politik zu beeinflussen in ihren Entscheidungen, und nicht nur passiv Ausbeutung, Umweltzerstörung & Vertreibung beizuwohnen. Solidarisiert euch mit den Betroffenen von grünem Neokolonialismus und hört auf die Stimmen indigener Völker. Informiert euch, bildet euch weiter. Geht zu Veranstaltungen und Demos, vernetzt euch und handelt in Solidarität!