Zusammenstehen statt spalten – Über Klimagerechtigkeit und Repression 

Klimakleber. Seit Monaten sind die Nachrichtenmeldungen voll von diesem Wort, das zuvor sicher bei den meisten Menschen für Unverständnis gesorgt hätte. Klimakleber im Museum, Klimakleber auf der Straße, Klimakleber vor Gericht. ‚Haftstrafe für Klimakleber‘ – seit kurzem ist auch dies immer öfter den Schlagzeilen bekannter Zeitungen zu entnehmen. Die Repression gegen die Aktivisti der ‚Letzten Generation‘ (LG) erreicht immer höhere Level. Nach den Hausdurchsuchungen und der teils wochenlangen Präventivhaft, die zahlreiche LG-Aktivisti im letzten Jahr erleiden mussten, kommen nun auch Haftstrafen aus Prozessen für vergangene Aktionen dazu. Auch andere Klimaaktivisti, die nicht der ‚Letzten Generation‘ angehören, bekommen den immer raueren Ton zu spüren, der von den Repressionsorganen ausgeht. Erst  kürzlich wurde ein Mensch in Grevenbroich verurteilt, der sich an einer Blockade des Kohlekraftwerkes in Neurath beteiligt haben soll – zu neun Monaten Haft, ohne Bewährung. Die Strafe ging sogar noch über dass von der Staatsanwaltschaft gewünschte Strafmaß hinaus. Begründet wird die Nichtaussetzung zur Bewährung damit, dass die Aktivisti sich vor Gericht nicht von ihren ‚Taten‘ distanzieren – sie im Gegenteil auch im Nachhinein gutheißen oder, wie im Fall von Letzte Generation-Aktivisti, sie sogar direkt nach der Verurteilung wiederholen. Die immer härteren Strafen dienen vor allem einem Ziel: Abschreckung. 

Sie sind auch ein Ausdruck der Angst von der Staatsseite aus, die Kontrolle über die Klimagerechtigkeitsbewegung zu verlieren. Durch die Aktionen, seien es nun Proteste in Lützerath, Kraftwerksblockaden wie in Jänschwalde oder eben Straßenblockaden der Letzten Generation, scheint der Staat sich bedroht zu fühlen, seinen unbedingten Machtanspruch in Frage gestellt zu sehen. Und diese Aktionen werden immer schwerer zu ignorieren. 
Das hängt nicht zuletzt mit dem ebenfalls wachsenden Frust über die Zuspitzung der Klimakrise und den offensichtlich unzureichenden Anstrengungen der Regierungen im Hinblick darauf zusammen.
Die härter werdenden Strafen werden begleitet durch absurde Spaltungsversuche – auch in Kiel sind sie zu hören. Es ist absurd, wenn Ulf Kämpfer, Kiels Oberbürgermeister von der SPD, auf der einen Seite die  ‚Letzte Generation‘ als immerhin demokratisch ausgerichtete Gruppe von der ach so bösen, extremistischen TurboKlimaKampfGruppe abgrenzt – im gleichen Zug jedoch die ‚Letzte Generation‘ als undemokratisch bezeichnet, sich selbst als Retter der Demokratie inszeniert, der die LG durch den Dialog zur Vernunft (‚demokratischen Diskurs‘) zurückbringen will. Im gleichen Stil und nicht nur in Kiel passiert das auch im Bezug auf LG und andere Gruppen – leider öfter auch erfolgreich. Erst vor kurzem distanzierte sich FridaysForFutureGermany von der ‚Letzten Generation‘ – mit dem Vorwurf, sie seien diejenigen, die die Gesellschaft spalten. Die ‚Letzte Generation‘ würde sich nicht für die kleinen Leute interessieren, die falschen adressieren und mit ihren Aktionsformen das Gegenteil von ihrem Anliegen erreichen. 
Gerade Letzteres wurde vor gar nicht mal so langer Zeit FFF selbst vorgeworfen.
Die Abgrenzung bringt FFF nun vielleicht im ersten Moment Zuspruch. Vielleicht kommt dieser Zuspruch aber gerade von denjenigen, die vor wenigen Jahren FFF negativ gebrandmarkt und von anderen Klima- und Umweltgruppen abgegrenzt haben, die nicht zu ungehorsamen (!) Streiks während der Schulzeit aufgerufen haben. Doch insgesamt schwächen diese Distanzierungen die Klimagerechtigkeitsbewegung. Um wirklich stark und wirkmächtig zu sein, müssen wir – wie in Lützerath – zusammenstehen. 

 

Es ist wichtig, über Aktionsformen und deren Vor- und Nachteile zu diskutieren. Es ist vor allem wichtig darüber zu diskutieren, wie wir als Bewegung möglichst viele Menschen mitnehmen können, wie wir in unsere Ziele und Vorstellungen von Klimagerechtigkeit möglichst alle Perspektiven einbeziehen können. Natürlich auch die von Pendler*innen, die heutzutage keine Alternative zum Auto haben. Aber diese Diskussionen müssen wir miteinander führen – nicht gegeneinander. Wir müssen Räume schaffen, in denen wir – mit all unseren Unterschieden – zusammenkommen und zusammen kämpfen können. Zumindest aber müssen wir nebeneinander kämpfen können und dabei nicht aus dem Blick verlieren, wer davon profitiert, wenn wir den Fokus verlieren und uns lieber gegenseitig angreifen: Konzerne wie RWE oder eben auch der Staat, der RWE und anderen Akteur*innen erst ermöglicht, die Klimakrise weiter zu befeuern und dabei noch massig Geld zu verdienen. 
Lasst uns nicht nur zusammenstehen, wenn wir in Lützerath von der Polizei verprügelt werden – lasst uns auch zusammenstehen, wenn Menschen auf der Straße bespuckt, angegriffen und öffentlich zu Terrorist*innen erklärt werden. Wenn Menschen durch monatelanges Wegsperren isoliert und gebrochen werden sollen, wenn sie  eingeschüchtert und zum Schweigen gebracht werden sollen. Unsere Solidarität gilt unabhängig davon ob es gerade um Klimagerechtigkeit geht oder um antifaschistisches Engagement wie im Fall des Antifa-Ost-Verfahrens, das demnächst mit langen Haftstrafen zu Ende gehen soll.Und sie ist insbesondere wichtig, wenn wir nicht mit allen Inhalten der inkriminierenden Gruppen übereinstimmen, wie bei der letzten Generation oder auch dem aktuell laufenden 129-Verfahren gegen den Roten Aufbau in Hamburg.

Lasst uns zusammenstehen als eine Bewegung, die für eine globale Solidarität gegen die Folgen der Klimakrise in Gegewart und Zukunft steht – für eine Welt, in der alle Menschen gut leben können. Trotz aller Unterschiede – gegen jede Repression, gegen jeden Schwächungsversuch von Staat und Konzernen.