Stellungnahme zum Fahrraddemo-Artikel

Da bezüglich unseres Blog-Eintrags zur Fahrraddemo am 24.4.2020 Kritik an uns herangetragen wurde, möchten wir hier mehreren Stimmen die Gelegenheit geben zu Wort zu kommen. Wir schätzen es immer wenn Kritik direkt an uns weitergegeben wird, denn so lassen sich Probleme direkt besprechen und hoffentlich auch lösen. Aufgrund verschiedener Blickwinkel, Anspannung in der unangenehmen Situation von der Polizei zurückgehalten zu werden und unterschiedlicher Auffassungen darüber, mit welcher Vehemenz es angebracht ist, sich Menschen in den Weg zu stellen, wurden im ursprünglichen Artikel mehrere Situationen vermischt und in dem Satz: „Mehrere Autofahrer*innen stiegen in aggressiver Stimmung aus ihren Wägen und ein Anwohner bedrohte die Gruppe und trat ein Fahrrad um“ deutlich verkürzt, und dadurch verzerrt dargestellt. Folgende Darstellungen liegen uns vor:

    

Person:

„Ich schreibe hier als Einzelperson, die maßgeblich für den kritisierten Text mitverantwortlich ist. Es liegt auf jeden Fall nicht in meinem Sinne Unwahrheiten zu verbreiten. Ich denke, dass an dem Tag viel passiert ist, was für Unmut gesorgt hat. Ich denke, dass das dazu geführt hat, dass die Emotionen hochgekocht sind (mal abgesehen davon, dass der Klimawandel an sich ja schon ein hochemotionales Thema ist). Ich kann den Teil des Textes, der sich um die Menchen dreht, die aufgehalten wurden, nur auf die Erzählung anderer stützen, da ich selbst in der vorderen Demogruppe unterwegs war. Vielleicht ist es dabei zu Missverständnissen gekommen, vielleicht habe ich Schilderungen intensiver wiedergegeben als sie gemeint waren, was ich aber definitiv sagen kann, ist, dass sich komplexe Situationen nicht in einem Satz ausdrücken lassen. Ich persönlich wollte den Fokus des Textes nicht auf die unangenehmen Situationen, sondern auf unseren Erfolg mit einem Großteil der Demo die geplante Route fahren zu können legen. Das ist mir anscheinend nicht gelungen. Ich hoffe, dass sich durch die Darstellung verschiedener Perspektiven die Missverständnisse aufklären lassen.“
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Person:

„Ich war am Tag der Demo selber in dem Teil der Gruppe der von der Polizei zurückgehalten wurde. Einem sehr provokant schnell fahrenden Autofahrer wurde von einem Aktivist auf dem Fahrrad der Weg aktiv versperrt, und ein zweiter Aktivist hat sich zu ihm gesellt. Daraufhin ist der Autofahrer ausgestiegen und hat genervt auf die Aktivisten reagiert. Soweit gut. Aber dann ist eine mittvierzigjährige Frau (die AnwohnerIN) dazu gekommen und wollte das Fahrrad zur Seite STELLEN. Daraufhin wurde sie von dem Demonstranten zur Seite geschubst. Als Reaktion darauf haben drei anwesende Aktivisten (die natürlich vermummt waren) die Frau bedrängt. Mein Begleiter und ich waren die Einzigen, die sich zwischen die Frau und die aggressiven Aktivisten gestellt haben. Danach haben die drei vermummten Aktivisten laut und aggressiv auf die Frau eingeredet (Zitat eines Aktivisten:“Wenn wir Sie geschlagen hätten, lägen sie jetzt auf dem Boden“). Währenddessen haben die drei Kinder der Frau dabei zusehen müssen, wie ihre Mutter von drei vermummten Aktivisten bedrängt wurde. Erst als ich mich dann wieder vor die Frau gestellt habe und den Aktivisten gesagt habe, sie sollten den Scheiß lassen, wurde von der Frau abgelassen. Die drei aggressiven Aktivisten sind dann über die Waldstrecke der Demo hinterhergefahren. Wir haben uns im Namen der Fridays for Future Bewegung bei der in Tränen ausgebrochenen Frau für dieses abscheuliche Verhalten der Demonstranten entschuldigt. Die Polizei hat den Fall aufgenommen.“
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Person:

Als Demo-Teilnehmerin aus dem hinteren Teil habe ich (zusammen mit Anderen) an unserem direkt danach veröffentlichten Blogeintrag geschrieben und im Eifer des Gefechts dabei übertrieben (ein Fahrrad wurde nicht UMgetreten, sondern dagegen getreten/über die Straße geschleift/angehoben, s.u.). Um den Text an dieser Stelle kurz zu halten, ist dabei außerdem eine möglicherweise missverständliche Formulierung entstanden, denn in nur einem Satz werden gleich (mindestens) zwei Situationen angeschnitten:
In der ersten Situation kam hinter mir ein Auto zum stehen, das gerade noch etwas beängstigend direkt auf mich zu gefahren war. Etwas schien dem Auto im Weg zu sein. In dem Moment war ich abgelenkt, denn für mein Schilder-Konstrukt und vorbeifahrende Autos war gerade einfach viel zu wenig Platz (und eine Fahrerin gab mir im Vorbeifahren mit Gesten durch ihr Fenster zu verstehen, dass ich das Problem sei). Als ich mich wenig später umdrehte, hatte sich bereits eine Autoschlange gebildet und mehrere der Autofahrer*innen waren ausgestiegen. Etwa fünf bis zehn Menschen standen sich gegenüber. Die Stimmung schien aggressiv und irgendjemand schubste eine andere Person – ich hielt ihn für einen Demonstrant, der scheinbar sofort von anderen Demonstrant*innen (?) festgehalten wurde. Mehrere Menschen, sowohl Demonstrant*innen als auch Außenstehende, bemühten sich um Schlichtung.
Schließlich drängte sich Polizei (über den Gehsteig) nach hinten durch. Die Situation löste sich dadurch auf, dass Demo-Teilnehmer*innen und Autos Platz für das Polizeiauto machten.
Danach war der allerletzte Teil der Demo von ganz hinten verschwunden. Die Leute von dort waren wohl entweder schon weggefahren oder hatten sich auf den Weg durch den Wald gemacht, um sich noch dem ersten Demoteil anzuschließen.
Deutlich später beobachtete ich eine zweite Situation. Ich hörte plötzlich ein Scheppern und sah, dass ein Anwohner aus seinem Haus gekommen war, wie aus dem Nichts gegen ein Fahrrad getreten und es ein Stück über die Straße befördert hatte. Er war nicht allein, denn ein jüngerer Demo-Gegner beobachtete das Geschehen aus einiger Entfernung.
Wo sich eben dieser Anwohner allein zwischen den abgestellten Fahrrädern aufgebaut hatte, waren schnell mehrere jüngere Demonstrant*innen zusammen gelaufen. Zwischen dem Mann und einem Demo-Teilnehmer kam es zu einem Wortgefecht („Ob du auf die Fresse willst, hab ich gefragt?!“ / „Ihr haltet doch auch keinen Abstand!“ – „Ja, aber wir haben Mundschutz!“). Nicht nur ich habe deeskalierend (aber auch ratlos) dazwischen gerufen. Vermutlich weil sich mehrere Demonstrant*innen in einem U um den Mann gestellt hatten, zögerte dieser schließlich und verschwand zu meiner Erleichterung wieder im Haus.
Fast alle verbliebenen Demoteilnehmer*innen haben sich kurz darauf den Weg in den Wald gemacht und endlich die B404 auf Umwegen erreicht. Alle Probleme – das Warten, die erzwungene Untätigkeit, die Planlosigkeit und die Konfliktsituationen – schienen aus der Welt, denn endlich war ich unterwegs. Obwohl es uns vorher willkürlich verboten worden war, konnten wir demonstrieren. Und es drängten sich selbstverständlich keine Autos mehr zwischen den versammelten Menschen durch, so wie auf jeder anderen Demo auch nicht.“
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Person:

„Ich hatte mich ehrlich gesagt auch ein wenig gewundert, wie unproblematisch einseitig die Situation im Blog geschildert wird. Ich hatte den Eindruck, das war wesentlich unübersichtlicher und nicht einfach „Da sind wütende AutofahrerInnen auf uns losgegangen“. Insbesondere den Herren mittleren Alters aus der Demo, der auf die AnwohnerIn losgegangen ist, habe ich als sehr aggressiv wahrgenommen. Soweit ich mitbekommen habe, hat er sich allerdings auch zurecht angegriffen gefühlt, da der SUV-Idiot tatsächlich extrem schnell an der Demo längs geheizt ist. Er hat sich ihm in den Weg gestellt und dann kam die AnwohnerIn raus, um zu schlichten. Als sie sein Rad aus dem Weg stellen wollte, hat er sie recht heftig weggeschubst, woraufhin die Leute aus dem Auto schreienderweise ausgestiegen sind, um ihr zu helfen. Einerseits finde ich es erschreckend, dass so ein Idiot das Gefühl hat, er dürfe mit seinem tödlichen Blechkoloss derart eng an einer Menschenansammlung vorbeirasen, und sich dem in den Weg zu stellen halte ich für die einzig richtige Reaktion. Andererseits fand ich den Angriff auf eine AnwohnerIn, die offensichtlich nicht aggressiv in die Situation kam und eigentlich schlichten wollte (was für sie natürlich leider hieß, das Fahrrad aus dem Weg zu kriegen) natürlich auch falsch.
Daneben gab es noch eine andere Konfrontation: Nach einiger Zeit des Wartens kam plötzlich ein recht bulliger Typ aus seinem Haus, ging auf das Fahrrad eines Demo-Teilnehmers zu, das circa 30 cm vor dem Reifen seines Buses lag, hob es auf und ließ es recht unsanft 20 cm weiter wieder fallen. Als besagtes Demo-Mitglied das sah, fragte er direkt sehr deutlich, was zum Teufel das denn solle. Nun gut, es kam genauso, wie der Typ es wahrscheinlich wollte: Einige Demo-TeilnehmerInnen und er standen sich gegenüber, brüllten sich an, forderten sich zum Faustkampf heraus und beleidigten sich teils sehr kreativ. Soweit, so gut… zum Faustkampf kam es (zum Glück/leider – ich bin da zwiegespalten) nicht. Allerdings bekam der bullige Hohlkopf nach einiger Zeit Unterstützung: Ein recht junger Typ in kurzer Sporthose und Fußball-Mütze (es mag Holstein-Merchandise gewesen sein, ich weiß es nicht mehr), der uns „FfF-Kiddies“ anpöbelte und fragte, was den unser Problem sei. Noch ein Hohlkopf halt. Aber er telefonierte nach der Situation recht aufgebracht, bis dann am Ende, gerade als wir uns entschlossen, durch den Wald zu fahren, circa 6-7 Kollegen von ihm da erschienen. Keine Ahnung, ob das so halb organisierte Rechte waren. Auf jeden Fall wäre es sicher noch zu unangnehmen Situationen gekommen, wenn wir da weiter gestanden hätten…“
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Person:

„Mir scheint, dass sich da tatsächlich mehrere verschiedene Situationen abgespielt haben. Eine weitere Person, die ich nach der Demo traf, erzählte mir nämlich auch von umfallenden Rädern, was wohl aber dem Umstand geschuldet war, dass jemand da viele aneinandergelehnte Räder wegschieben wollte. Die Person erwähnte auch die Frau, die aus dem Haus kam, nicht aber den Mann, mit die Anderen es wohl später zu tun hatten.“