Wald, Wald, Wald statt Asphalt!
Etwa 350 Demonstrant*innen trafen am Sonntagnachmittag auf dem Kieler Platz der Matrosen zusammen, um gegen den Ausbau der B404 zur A21 und für eine klimagerechte Verkehrswende zu demonstrieren. Nach Redebeiträgen vom VCD Kiel und uns ging es am Sophienblatt entlang in Richtung B404 hinaus aus der Stadt.
Trotz des Nieselregens und der Kälte waren viele Menschen gekommen. Die Fahrt wurde begleitet von mehren lauten Musikboxen sowie der Trommelgruppe Rhythems Of Resistance.
Für die Zwischenkundgebung fuhren wir entlang der geplanten Trasse der A21 und stoppten nach etwa 8 Kilometern in Schlüsbek. Dort gab es einen Redebeitrag von People For Future Kiel sowie eine kurze Verschnaufpause für alle.
Die Abschlusskundgebung fand zurück in Kiel bei der Fußgänger*innenüberführung am Theodor-Heuss-Ring statt. Als die Fahrradfahris dort eintrafen, hing dort schon ein Banner mit der Aufschrift ‚Verkehrswende? Geht nur sozial gerecht!‘ sowie zwei Kletteraktivisti. Es gab noch einmal zwei Redebeiträge vom BUND und Fridays For Future Kiel.
Nach der Demo gab es nur einen Katzensprung entfernt in der Meierei leckeres Essen gegen Spende. Etwa 50 Menschen kamen dort zusammen um sich bei Limo und Suppe auszutauschen und Tischkicker zu spielen.
Die große Anzahl an Teilnehmenden zeigt, wieviele Menschen den Bedarf einer echten Verkehrswende sehen – und unterstreicht die Notwendigkeit von Aktionen wie denen der letzten Woche. Lasst uns auch in Zukunft Klima wieder mehr zum Thema machen – und unsere Ideen für eine Bekämpfung der Klimakrise präsent machen!
Was wollen wir? Klimagerechtigkeit! Wann wollen wir das? Jetzt!
Hier ist unser Redebeitrag:
Moin,
schön dass ihr alle da seid.
Wir leben in einer Zeit, in einer Gesellschaft, in welchem Autos normal sind, in welcher es vollkommen normal ist, dass Straßen gebaut werden und ein ziemlich großer Anteil der Stadt als Verkehrsfläche diesen exklusiv vorenthalten wird. Ich möchte heute was darüber erzählen, wie es dazu kam und was das mit uns heute zu tun hat.
Dass Autos akzeptiert wurden war keineswegs von Anfang an eine Selbstverständlichkeit, nein, von den Einwohner*innen wurde diese Gefahr bekämpft. So berichtete ein Autofahrer um 1900 „Nie in meinem Leben bin ich so viel verflucht worden, wie während meiner Automobilreise im Jahre 1902“. Es war üblich, dass Autos mit Steinwürfen, gespannten Drahtseilen und Pistolenschüssen bekämpft wurden, sodass den Fahrern empfohlen wurde sich zu bewaffnen. Vorläufige Fahrerflucht nach Unfällen wurde in Deutschland 1909 legalisiert um zu verhindern, dass Autofahrer gelyncht wurden. In jeder Stadt verursachten die ersten Todesopfer einen Skandal, doch leider wurden sie schnell zur neuen Realität und heute ist die Vorstellung, dass jedes Auto mit Steinwürfen eingedeckt und verjagt wird zwar eine für mich sympatische, aber leider sehr weit weg von der Normalität.
Was hat die Veränderung gebracht? Anfangs wehrten sich die Menschen auch deshalb, weil Autos nur etwas für die Reichen und Privilegierten waren, die damit wieder einmal die anderen in Gefahr brachten. In den 30ern gewannen Autos immer mehr an Bedeutung. Mit der Charta von Athen 1932 wurde das Auto zum bevorzugten Verkehrsteilnehmer. Städte sollten gar autofreundlich umgebaut werden.
In Deutschland wurde das Autos nicht zuletzt durch die Nazis populär. Obwohl die Pläne für ein Autobahnnetz schon vorher bestanden, setzte erst die NSDAP diese durch. Die „Kraft durch Freude“ – Propaganda von einem Auto für alle zusammen mit einem Trommeln für die nationalen Interessen und die deutsche Industrie führten mehr und mehr zu Akzeptanz, zum Wohle der Volkgsgemeinschaft.
Deutsche Industrielle beteiligten sich fleißig, trieben den Bau des VW-Werks voran unter dem Motto dort Autos für alle zu produzieren, tatsächlich aber für die Kriegsindustrie.
Die gleichen Familien von Porsche und Co profitieren noch heute von den Gewinnen aus der NS-Zeit. Finanziert wurden die Werke auch durch die enteigneten Gelder der Gewerkschaften. Im Volkswagenwerk mussten mehr als 20.000 Zwangsarbeiter*innen und KZ-Häftlinge unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten und beim Bau der Autobahnen wurden durch die Zwangsarbeit 180.000 Menschen ermordert. Auf all dem baut unsere heutige Autoindustrie auf.
Die Durchsetzung erfolgte nicht zum Wohl der Menschen, sondern vor allem zum Wohl der Autoindustrie und der Profiteure im globalen Kapitalismus. So kauften Konzerne in den USA die Straßenbahnen und deren Netze auf, nur um sie zu verschrotten, damit Menschen sich Autos kaufen mussten.
Dazu kommen gesellschaftliche Vorstellung, welche den Autoverkehr wenig in Frage stellen lassen, geprägt durch Faschismus und Kapitalismus. Noch heute gilt es als männlich, schnelle Autos zu fahren, verbunden mit einer entsprechenden Rücksichtslosigkeit. Dass Autos in der Stadt und auf der Straße Vorrang haben wird nicht in Frage gestellt. Individuelle sogenannte Freiheit mit dem Auto zu Rasen ist ein Sinnbild der kapitalistischen Freiheit, für diejenigen die es sich leisten können, auf Kosten der anderen – wie seit der Erfindung der Autos. Alle anderen werden an den Rand gedrängt.
Die Schienennetze, welche Mobilität für mehr Menschen ermöglichten wurden zurück gebaut. Bis 1932 wuchs das Eisenbahnnetz für Schleswig-Holstein auf 2200 km, etwa 40 % davon waren Kleinbahnen, welche das flache Land erschlossen. Seitdem wurden 860 km Bahnstrecke stillgelegt, also etwa ein Drittel der Schienen und ein noch größerer Anteil an Bahnhöfen. Die Reaktivierung von Strecken wie nach Schönberg kommt kaum voran und bundesweit werden noch heute jährlich mehr Strecken stillgelegt als reaktiviert. Im Bundesverkehrswegeplan gibt es viel Geld für den Autobahnbau, jedoch kaum etwas für neue Schienen oder Straßenbahnen. Dabei ist uns doch längst klar, dass wenn wir Emissionen senken wollen – und die Welt lebenswerter machen wollen, wir weg müssen vom Autoverkehr. Gütertransporte müssen reduziert und auf Schienen verlagert werden.
Mobilität für alle heißt Ausbau von Bus und Bahn statt Straßen für diejenigen, die sich Autos leisten können und damit das Klima und die Luft für alle verpesten. Die heutige Begünstigung des Autos im Straßenverkehr ist kein Naturgesetz. Sie ist eine politische Entscheidung und damit veränderbar.
Aber auch heute wieder stehen die Faschist*innen an der Seite der Autoindustrie. Die Rechten schimpfen auf uns als „Klimaterroristen” oder „Ökofaschisten”, schwafeln von einer „Klimadiktatur“ und versuchen alles, um die stehen gebliebene Autoindustrie zu erhalten. Dabei sind sie es von denen die reale Gefahr einer Diktatur ausgeht. Sie sind es, die am liebsten keinen öffentlichen Personennahverkehr für alle hätten, die Errungenschaften wie das 58 Euro Ticket am liebsten abschaffen würden – statt es kostenlos zu machen und damit die Kontrollinfrastruktur einsparen zu können. Die Faschisten von der AfD und all diejenigen die ihnen hinter her laufen oder nach dem Mund reden sind es, die Klimaschutz verbieten wollen. Es sind diejenigen, die uns gerne einsperren möchten, weil wir uns der Zerstörung direkt in den Weg stellen.
Dabei ist das weiter nötig, gerade wenn über Milliardeninvestitionen in Infrastruktur – und damit viel für den Straßenbau – gesprochen wird, aber nicht über einen Cent für Klimaschutz. Dabei wissen wir alle, dass die Klimaschäden um ein vielfaches teurer sind als jeder Beitrag dazu CO2 einzusparen. So haben Aktivist*innen von der TurboKlimaKampfGruppe am letzten Montag Baustellenfahrzeuge auf der A21-Baustelle besetzt und sich von einer Brücke dort abgeseilt. Es ist wichtig, dass wir nicht nur reden, sondern auch handeln. Gegen die A21, gegen jeden Autobahnbau, aber auch gegen das Erstarken der Faschist*innen.
Klimaschutz bleibt Handarbeit!