Bericht und Redebeitrag – Kundgebung zur Ratsversammlung zum Abschiebegefängnis Glückstadt

No border, no nation!

Am 21.3. versammelten sich gut 150 Menschen vor dem Kieler Rathaus, um einen Antrag der Fraktion Die Linke/Die Partei, über die zeitgleich im Rathaus angestimmt wurde zu begleiten. In dem Antrag wurde gefordert, aufgrund der medial gerade sehr viel Aufmerksamkeit bekommenden katastrophalen Zustände im Abschiebegefängnis in Glückstadt, keine Menschen aus der Stadt Kiel mehr dorthin zu inhaftieren.
Auch wir waren mit dabei und haben einen Redebeitrag gehalten, den ihr unten und in den Kommentaren findet!
Der Antrag wurde von CDU, FDP und AFD – wie zu erwarten – abgelehnt. Die übrigen Parteien SPD, Grüne und SSW stimmten erfreulicherweise jedoch zu und somit wurde der Antrag angenommen.


Obwohl dies ein etwas überraschendes und natürlich erfreuliches Signal ist, darf unser Kampf damit noch lange nicht aufhören. Denn erstens ist noch unklar, ob ein Inhaftierungsstopp aus Kiel tatsächlich auch von den verantwortlichen Stellen mitgetragen wird, wenn die Ratsversammlung appelliert – zweitens würde dies keinen Abschiebestopp bedeuten.
Lasst uns also weiter auf die Straßen gehen und laut sein, in Solidarität mit allen Migrant*innen, gegen die Inhaftierung und Abschiebung von Menschen und für ein sicheres Bleiberecht für alle!
Vielen Dank der Kampagne Glückstadt ohne Abschiebehaft und der Seebrücke Kiel für die Orga der Kundgebung!

Hier findet ihr unseren Redebeitrag:

Dezember 23:
Im Landtag erklärt der Innenminister (SPD) es sei wichtig jene „Ausländer“ zu verhaften, die Zitat „abgeschoben werden sollen, aber aus mehreren Gründen nicht abgeschoben werden können“. Es ist der verzweifelte Versuch den Rechten das Wasser abzugraben. In den vergangenen Jahren hatte er immer wieder gegen eine vermeintlich illegale Migration gehetzt. So ordnete er etwa an, alle Migrant*innen auszuweisen die Zitat „in dem dringenden Verdacht einer strafbaren Handlung“ stünden.

Der Name des Politikers: Carl Severing
Das Land: Der Freistaat Preußen
Das Jahr: 1923

Wer hat uns verraten? Sozialdemokraten!
Es waren SPD-Regierungen, die erste KZs für Jüd*innen errichten ließen. Die Inhaftierten waren aus Osteuropa geflüchtet. In ihrer Heimat wurden sie politisch verfolgt.

Doch das interessierte Severing und Co wenig. Man versprach Brot und Arbeit nur für Deutsche. Nazi-Politik machen um eine Nazi-Regierung zu verhindern. Das konnte schon damals nicht funktionieren. Die Menschen wählten lieber das Original. Und ein Jahrzehnt später waren es zahlreiche Genoss*innen selbst, die in Konzentrationslagern einsaßen.


Faschismus fällt nicht vom Himmel. Der Rechtsruck einer Gesellschaft vollzieht sich schleichend. In vielen Bereichen bauten die Nazis auf ein soliden Fundament. So auch im Falle der Migration aus Osteuropa. Antisemitismus und antislawischer Rassimus waren weit verbreitet. Und so gab es wenig Protest bei der sogenannten „Polenaktion“ 1938. Initiiert hatte sie Heinrich Himmler, Chef der SS. Tausende Jüd*innen wurden über Nacht an die deutsch-polnische Grenze deportiert und zum Grenzübertritt gezwungen. Ihr Hab und Gut mussten sie zurücklassen.


Im gleichen Jahr erließen die Nazis zudem eine Verordnung in der es hieß: „Der Ausländer ist […] abzuschieben, wenn er das Reichsgebiet nicht freiwillig verlässt […] Zur Sicherung der Abschiebung kann der Ausländer in Abschiebehaft genommen werden.“ Wer in Deutschland lebt, der soll auch deutscher Herkunft sein. Pure Blut-und-Boden-Idiologie also. Die BRD übernahm den Text später und behielt ihn unverändert bis 1965. Seinen rassistischen Kern aber transportieren andere Gesetzte bis heute. Bis heute will sich Deutschland nicht als Einwanderungsland verstehen. Bis heute schiebt man lieber ab als sich tief gehender mit der Problematik zu beschäftigen.


Rechtsextreme reden gerne von einer „Flüchtlingsinvasion“. Betrachten wir dafür beispielhaft die Geschichte Afghanistans: 1880 brennen afghanische Kolonialtruppen London nieder. Knapp 100 Jahre später schickt Kabul Spezialeinheiten, die den Kremel stürmen. Sie ermorden Breschnew, den Generalsekretär der KPdSU. Und schließlich 2001: Nach kurzen Kämpfen zerschlagen paschtunische Streitkräfte letzte US-Milizen. Über dem Kapitol weht die … ach Moment – ich bring da gerade was durcheinander … Es waren natürlich Großbritannien, die Sowjetunion und die USA, die Afghanistan überfielen.

Drei mal kam es in dem zentralasiatischen Staat zu einer Invasion. Drei mal besetzten weiße Armeen Kabul. Asylanträge von Afghan*innen jetzt als „Invasion“ zu bezeichnen ist klassische Täter-Opfer-Umkehr. Und es ist zudem außerordentlich zynisch.
Im Fall Afghanistan gab und gibt es viel Zynismus. Zitat: „Ausgerechnet an meinem 69. Geburtstag sind 69 Personen […] nach Afghanistan zurückgeführt worden.“ –

Innenminister Horst Seehofer von der CSU 2018. Einer der Afghanen suizidierte sich unmittelbar nach der Ankunft. Mindestens eine Abschiebung war illegal. Weitere Abgeschobene reisten später auf legalen Wegen wieder ein. Die deutsche Regierung aber ließ bis in den Sommer 2021 Menschen nach Afghanistan deportieren. Da waren die Taliban längst auf dem Vormarsch. Hunderte Afghan*innen hatten für die Bundeswehr gearbeitet. Kaum jemand von diesen sogenannten “Ortskräften” wurde ausgeflogen. In den kommenden Monaten starben dutzende von ihnen.


Migration ins eigene Land möchte man unterbinden. Gleichzeitig migrieren weiße Europäer*innen seit Jahrhunderten in alle Welt. Und sie verschleppten rassifizierte Menschen um den halben Globus. Neben den europäischen Großmächten beteiligte sich auch das kleine Dänemark an Kolonialismus und Sklavenhandel. Mitte des 17. Jahrhunderts gründete es die „Glückstädter Africanische Kompanie“. Sie existierte rund 100 Jahre. Rassifizierte Menschen zu deportieren hat also auch in Glücksstadt eine gewisse Tradition.


Heute ist eine afrodeutsche Politikerin für das Abschiebegefängnis in Glücksstadt zuständig: Sozialministerin Aminata Touré. In den 90ern selbst aufgewachsen in einer Geflüchtetenunterkunft. Es sind die sogenannten „Baseballschlägerjahre“. Überall in Deutschland gibt es Anschläge auf Geflüchtete. SPD, FDP und CDU verschärfen daraufhin das Asylrecht und schieben hunderttausende ab. Der sogenannte „Asylkompromiss“. Doch Aminatas Familie hat Glück und kann bleiben. Ihr selbst sollte eine steile politische Karriere bevorstehen. 2012 tritt sie den Grünen bei. Anfangs steht sie der deutschen Abschiebepolitik noch kritisch gegenüber. Auch heute schießt sie noch gelegentlich quer.

Im Großen und Ganzen aber trägt sie die rassistische Politik mit.
2023 erklärt sie, dass integrationswillige Menschen natürlich bleiben dürften, dass aber – Zitat „ausländische, schwere Straftäter […] unverzüglich ausgewiesen werden müssen.“ Da sind sie wieder: die guten und die bösen Ausländer. Auch die SPD hatte im Kaiserreich noch die Ausweisung von Pol*innen und Jüd*innen kritisiert. Selbst an der Macht unterschied sie plötzlich zwischen denen, die einer – Zitat „nutzbringenden Beschäftigung“ nachgingen und jene, die sie als „lichtscheue Elemente“ defamierte. In den Medien wird Aminata trotzdem als Vorbild für junge Migras gefeiert. Doch wenn sie weiter so erfolgreich Politik macht, dann wird es in den Geflüchtetenunterkünften bald kaum noch Menschen geben, denen sie ein Vorbild sein könnte.


Ich habe meine Rede mit dem Bau der ersten KZs begonnen. Mit einem der letzten möchte ich schließen. Im April 45 befreiten sich die Gefangenen des KZs Buchenwald. Wenige Tage später schworen die Ex-Häftlinge den Nazismus bis zum Ende zu bekämpfen. Unter ihnen der einzige schwarze Insasse: Gert Schramm. Bis zu seinem Tod 2016 hielt er Vorträge an Schulen und klärte auf. Er wolle – Zitat: „die Jugendlichen niemals in die Fänge dieser Banditen von Rassisten [und] Nazis“ lassen, damit „sie niemals für ihre Parolen, die nur von Hass und rassistischen Diskriminierung geprägt sind, empfänglich werden.“