Die FDP und wir Extremist*innen

Wir sind heute früh vor dem  Landtag in Kiel gewesen und haben gegen die Kriminalisiserung von Klimaprotesten protestiert.  Die FDP fordert heute in einem Antrag, dass der Landtag ungehorsame Formen des Protestes öffentlich verurteilt. 
Passend dazu wurden direkt schon heute morgen um 7 zwei Menschen auf dem Gehweg vor dem Landtag in einer polizeilichen Massnahme kontrolliert und gefilzt. Sie sahen wohl zu gefährlich aus. Der erste Entschluss Straßenmalkreide zu beschlagnahmen war ihnen dann aber wohl doch zu peinlich. 
Anlässlich dieser Steilvorlage versammelte sich dann eine kleine Gruppe Aktivist*innen zu einer Sponti um 9 Uhr vor dem Landeshaus. Großartig wenn mensch gegen die Kriminalisiserung von Klimaprotesten protestiert und schon vor Beginn des Protestes kriminalisiert wird. Die Pointe ist nicht zu übersehen finden wir. 
Auch bei unserer angemeldeten Sponti kam es zu mehreren Personenkontrollen und Beschlagnahmungen von Bastelkram. Merke: Klebestifte dürfen an gefährlichen Orten nicht geführt werden.
Die FDP meint, Extremismus fange da an, wo Aktivist*innen für ihren Protest bewusst Gesetze brechen – wir meinen, dass allzu oft viel mehr der Fortschritt erst dann anfängt, wenn Gesetze nicht beachtet oder eben bewusst gebrochen werden. 
Ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass Menschenrechte sowie viele wichtige Errungenschaften erst mit Ungehorsam erreicht wurden – im Zusammenspiel mit all den anderen (legalen) Aktionsformen, die allerdings meist wenig ernst genommen wurden, bis (andere) Menschen sich bewusst dazu entschlossen, sich nicht mehr an die Spielregeln der Obrigkeiten zu halten. Gefährlich ist es also nicht, wenn Menschen wie die Aktivisti der ‚Letzten Generation‘ mit Kartoffelbrei oder Sitzblockaden für wenige Minuten mal den alltäglichen Trott der kapitalistischen Konsumgesellschaft und Ausbeutungsverhältnisse ins Schwanken bringen, sondern wenn Politiker*innen sich bewusst dazu entscheiden, die Hetze gegen sie noch weiter zu befeuern und dabei noch gekonnt die Aufmerksamkeit von ihrer eigenen Verantwortung, der sie gerade in keinster Weise nachkommen, wegzulenken versuchen. Wer dreckige LNG-Deals mit Menschenrechtsverachtern aus Katar schmiedet und Deutschland damit nochmal ein ganzes Stück weiter weg vom Weg abbringt, ‚klimagerecht‘ zu werden bzw. das Mindeste dafür zu tun, dass die Wirtschaft nicht mehr ganz so viel Schaden bewirkt wie zuvor, wer darauf beharrt Aktivisti entweder wochenlang ohne Verurteilung in Präventivhaft zu nehmen wie die ‚Letzte Generation‘ in Bayern oder mit sehr fragwürdiger Verurteilung und unter teilweise menschenrechtsverletzenden Bedingungen monatelang in U-Haft zu nehmen wie die ‚unfreiwillige Feuerwehr‘ in Brandenburg, dem sind Menschenrechte und Demokratie herzlich egal. 

Die FDP sagt, niemand habe das Recht, sich über Gesetze hinweg zu setzen, Protest solle gefälligst ausschließlich im gesetzlichen Rahmen stattfinden. Wer so denkt wünscht sich im Grunde nichts als gehorsame Untertanen, die – wenn überhaupt – nur das sagen, was ihnen selbst nicht schadet. Und am allerliebsten eben noch genau so, dass sie es nicht einmal hören müssen: schön geordnet und kontrollierbar gemäßigt, überwacht von der Polizei, irgendwo, nur nicht da, wo es stört, unüberhsehbar und unüberhörbar ist – und eben nur mit einer Reaktion beseitigt werden kann.

 

Nur um das einmal klar zu machen: Die FDP sowie alle anderen, die sich an der Hetze beteiligen messen mit zweierlei Maß. Denn es werden nicht die Bundesminister*innen angegangen, welche bewusst keinerlei ausreichende Maßnahmen treffen um die selbst gesetzen schon niedrigen Klimaziele zu erreichen – verfassungswidrig und damit rechtswidrig nach Entscheidung vom Bundesverfassungsgericht. Ebensowenig werden diejenigen kritisiert, die entgegen dem rechtsstaatlichen Grundsatz keine Strafe ohne Gesetz, Menschen über einen Monat präventiv einsperren handeln. Es werden nicht die Energieunternehmen angegegangen, die Steuern vermeiden und Profite erwirtschaften auf Kosten der Armen, einer Übergewinnsteuer verweigerte sich die FDP beispielsweise. Und gegen die Autoindustrie, welche jahrelang Abgaswerte manipulierte und durch die mehr ausgestoßen Abgase Menschen töte, ist auch kaum ein Wort von den Regierenden zu hören. 
Schmerzlich bewusst, wie schädlich die Hetzkampagne vieler Zeitungen und Politiker*innen zur Zeit ist wird einer*m, wenn sich vor Augen gehalten wird, dass vor wenigen Tagen erst ein riesiges Netzwerk von Reichsbürger*innen und Nazis aufgedeckt wurde. Zahlreiche Menschen, von denen es uns nicht gerade wundert, dass nicht wenige davon zuvor in Bereichen wie Justiz, Polizei und Bundeswehr – für den Staat und den „Sicherheits“apparat eben – gearbeitet haben, die konkrete Anschlagspläne und auch schon Waffen besorgt hatten, wurden festgenommen. Der Verfassungsschutz spricht davon, dass die Lage jederzeit unter Kontrolle war und der Staat feiert sich dafür, die Pläne der Faschist*innen durchkreuzt zu haben. Dabei gibt es eine ganze Menge Dinge, die uns viel mehr beunruhigen als beruhigen sollten – einer der als Reichsbürger aufgeflogenen Polizisten war in die Sicherheitsplanung einer jüdischen Gemeinde eingebunden. Trotzdem sind die Zeitungen – statt mit Rechten, die einen bewaffneten Umsturz planen – weiter voll mit Hetze gegen Aktivist*innen der letzten Generation. Welt, BILD und co. schreiben Artikel darüber, inwiefern sich Autofahrer*innen körperlich gegen die Blockierer*innen ‚wehren‘ dürfen, schwadronieren von einer ‚Klima-RAF‘. Terrorist*innen also, kann das allen Ernstes ein Begriff sein, der verwendet wird um Menschen zu beschreiben, die Tomatensuppe auf ein Bild bzw. nicht einmal das, sondern daneben schmieren?
Ja, es gibt berechtigte Kritikpunkte an der ‚Letzten Generation‘, die einige Menschen, die bei TKKG aktiv sind teilen – zum Beispiel, dass sie in ihren Forderungen innerhalb diesen bürgerlich-kapitalistischen Systems verbleibt, im Grunde ’nur‘ eine Einhaltung der Gesetze, eine Stärkung und ein besseres Funktionieren dieses Systems fordert, welches aus unserer Perspektive an sich schon für zahlreiche Probleme verantwortlich ist und Menschen und anderen Lebewesen weltweit schadet, sie verletzt und tötet. Diese Probleme werden sich nicht lösen lassen, wenn ein weiteres Gesetz beschlossen und dann (mit welcher Ausrede oder Ausnahme begründet auch immer) nicht eingehalten wird. Es braucht viel tiefgreifendere Veränderungen, die ein sicheres, friedliches und gerechtes Leben in dieser Welt ermöglichen. Trotzdem solidarisieren wir uns selbstverständlich mit ihnen und all den anderen von Repression betroffenen Klimagerechtigkeitsaktivist*innen (sowie allen anderen Gefangenen, denn das Strafsystem Gefängnis ist verdammt gewaltvoll und schadet Menschen so viel mehr, als dass es ihnen hilft).
Klimagerechtigkeit und Fortschritte in allen anderen Bereichen bleiben Handarbeit, die wichtigste Arbeit wird unser Meinung nach auf der Straße gemacht und nicht im Parlament (von wo aus sie zumeist sowieso nur behindert wird). Auf zu neuen Taten, wehrt euch und leistet Widerstand gegen die Handlungen derer, die mit ihren Deals und gebrochenen Versprechen so viel Schaden anrichten – vertraut ihnen nicht, vertraut euch selbst und nehmt euch euer Recht oder brecht das Recht eben, wo es daran hindert eine friedlichere, gerechtere Welt für alle Menschen und Lebewesen darin aufzubauen.