Dieser Bericht erreichte uns von einer Aktivistin, die im letzten Jahr den Theodor-Heuss-Ring mit blockierte, und deren Verfahren jetzt eingestellt wurde:
„Hey Freund*innen!
Endlich wurde das absurde Bußgeldverfahren bezüglich der THR-Blockade am 26. April 2019 eingestellt!
Meine „Ordnungswidrigkeiten-Anzeige“, die ich eben noch mal rausgekramt habe, sagt: „OWi gemäß § 113 Abs.1 OWiG. Unerlaubte Ansammlung. Bußgeldbehörde Kiel“. Der Begehungsort sei der Theodor-Heuss-Ring gewesen in 24113 Kiel (Hassee), Höhe Dorotheenstraße, und es handle sich dabei um eine Straße der Klasse 2; genauer: eine Bundesstraße. Eine Spurensuche sei nicht erforderlich (gewesen) und die Begehungszeit sei der besagte Tag, ein Freitag, von 18:14 – 19:01 Uhr. Eine Begehensweise wird nicht genannt. So weit, so gut. Dann noch ein paar Angaben zu mir selber (ich bin die Nummer 45) und: Es wurde wohl insgesamt gegen 61 Personen ermittelt, wie mir der Ausdruck de Seite 24 von 26 der OWi-Anzeige vermittelt.
Dann ist da noch eine „Zeugin/Zeuge“ (cool, die haben zumindest binär gegendert!) aufgeführt, deren Daten allerdings geschwärzt sind – vermutlich der Ober-Cop, auch Einsatzleiter genannt. Dann wird auf mehreren Seiten der angebliche Sachverhalt geschildert: „[…] 1. Einsatzhundertschaft Schleswig-Holstein bei der Demonstration „Feinstaub und Klimawandel effektiv bekämpfen – Verkehrswende statt Scheinmaßnahmen am Theodor-Heuss-Ring“ in Kiel“. Uiuiui-! Das es sich bei dem Ganzen um zwei Demonstrationen handelte, wobei die eine eine (tatsächlich angemeldete) Spontanversammlung mit dem Titel „Kieler Straßen begrünen“ oder so ähnlich war, haben die wohl immer noch nicht geschnallt. Weiter: „[…] Aufzugsstrecke, genehmigt […] über den Theodor-Heuss-Ring. […] [G]esperrt und […] umgeleitet. Um 15:42 Uhr ließen sich auf dem [… THR] Höhe Dorotheenstraße ca. 70-80 Personen [cool, wir waren wirklich viele!] nieder. Um 15:45 Uhr wurde daraufhin seitens der Polizei mit der Versammlungsleiterin Kontakt aufgenommen. Diese teilte mit, dass sie das Blockieren der Fahrbahn unterbinden möchte und sie sich mittels Megaphone [Englisch läuft.] an die Personengruppe wenden werde.“ Blablabla, bla blub. Ich habe mir das extra alles ausdrucken lassen, insgesamt 16 Seiten, um gegebenenfalls dagegen vorgehen zu können (das ist ja jetzt zum Glück nicht mehr nötig) und um zu wissen, was die da so über ich und uns schreiben. „Das arme Papier. Voll unökologisch“ hat so n Bullen-Heini damals zu mir gesagt!- Naja, aber es wird dann noch mal spannend: „Um 16:53 Uhr wurde durch den o.g. [geschwärzt], bei der Versammlungsbehörde eine Spontanversammlung auf der Fahrbahn angemeldet. Diese wurde abgelehnt [Achtung Achtung!] mit dem Hinweis, dass diese lediglich auf dem Gehweg möglich sei. Daraufhin blockierten ca. 80 Personen sitzend die Fahrbahn. [Ich erinnere mich noch wie wir zu toller Musik tanzten und eine ganz bunte, fröhliche Zeit hatten. Nur „sitzend“ waren wir also sicherlich nicht!] Um 17:11 Uhr wurde der Gruppierung seitens der Pozilei [ups, da hab ich mich wohl verschrieben] eine Frist von 30 Minuten gesetzt, in der diese sich von der Fahrbahn zu entfernen habe [man beachte: wir werden zur „Gruppierung“, zu einem unerwünschtem Objekt!]. Um 17:42 Uhr wurde seitens der Polizei mit dem Anmelder [Aha! Haha, hieß es nicht gerade noch, die Versammlung konnte gar nicht angemeldet werden, da sie „abgelehnt“ wurde?!] der Spontanversammlung Kontakt aufgenommen. Mitarbeiter [*innen!] der Versammlungsbehörde waren ebenfalls vor Ort. [Geschwärzt] gab diesbezüglich an, dass er die Spontanversammlung um 18:05 Uhr für beendet erklären werde.“ All das steht auf Seite 25 von 26 des schönen Berichtes. Dann folgen noch ein paar Zeilen bezüglich angeblichen weiteren Aufforderungen der Cops, die Fahrbahn zu verlassen, sowie der Hinweis: „Die Spontanversammlung wurde weder durch die Polizei noch durch die Versammlungsbehörde gem. § 13 VersFG SH aufgelöst.“ Um 18:14 Uhr soll dann mit der Räumung begonnen worden sein, wobei das „Zwangsmittel der einfachen körperlichen Gewalt“ eingesetzt wurde. Jo, das haben wir bemerkt. Blabla, Menschen wurden identifiziert oder auch nicht, blabla, es gibt einen gesonderten Bericht; und um 19:01 Uhr war das Ganze laut OWi-Anzeige dann vorbei. So weit, so schlecht. Irgendwann – zumindest bei mir laut Stempel am 15. Mai – bekam ich dann denselben Wisch, auf dem aber statt „Ordnungswidrigkeiten-Anzeige“ dann „Strafanzeige“ stand, und der den bereits besagten Stempel vom Bundeskriminalinstitut Kiel trug (bisschen merkwürdig, eigentlich gibt es keine Strafanzeigen wegen OWis, aber naja). Im „Abschlussvermerk“ des Berichts steht noch: „Die Aufnahmen ähneln den Aufnahmen auf der SD-Karte „Abtranspot der Störer“ des POM [XY].“ Mir ist nicht ganz klar, was damit gemeint ist (POM = Polizeiobermeister oder so?! Und was für Aufnahmen auf ner SD-Karte?), aber ich finde den Begriff „Störer“ ganz witzig. Ich habe das Ganze dann erst mal ruhen lassen und nichts bezahlt oder ähnliches, während sich andere Menschen auf ihren Gerichtstermin vorbereiteten oder aber das verlangte Bußgeld aufbrachten.
Und dann, neulich, bekam ich wieder so einen beige-gelblichen Brief. Juchu, freute ich mich, mal wieder Post vom Amtsgericht! Und was dann da stand, war tatsächlich ganz cool. Vorher hatte ich zwar schon in der Zeitung gelesen, dass das Verfahren gegen die „THR-Blockierer“ eventuell aufgrund von einem zu hohen und gerade jetzt, in Corona-Zeiten, nicht aufzubringenden Arbeitsaufwand eingestellt werden sollte, aber als ich das Ganze dann tatsächlich als „beglaubigte Abschrift des Beschlusses vom 07.05.2020“ schwarz auf weiß per Post erhielt, war das doch auch ganz schön. Die schreiben da, dass eine „Ahndung der Ordnungswidrigkeit […] vorliegend nicht geboten“ war und „[d]ie Begehung der dem Betroffenen zur Last gelegten Ordnungswidrigkeit [ ] wahrscheinlich, weitere Ermittlungen [ ] indes unverhältnismäßig“ seien. Des weiteren wird der von mir bereits oben zitiere, angebliche „Tathergang“ in Kürze noch einmal aufgeführt. Dann steht da: „Weder die ursprünglich angemeldete Versammlung […] noch etwaige weitere Spontan- und Eilversammlung [sic!] wurde nach Aktenlage ausdrücklich durch die anwesenden Behörden [d.h. die Cops] aufgelöst. […] Das Gericht geht ferner grundsätzlich davon aus, dass die Teilnehmer einer Versammlung nach deren Beendigung oder Auflösung bzw. nach dem Ausschluss aus einer solchen eine bloße Ansammlung bilden (vgl. auch [XYZ])“. Und dann, besonders interessant: „Insbesondere im Rahmen der Beendigung einer Versammlung bzw. des Ausschlusses einzelner Teilnehmer [*innen…] durch den Versammlungsleiter ist indes denkbar, dass im Einzelfall durch die verbleibenden Teilnehmer eine neue Versammlung entsteht, mit der Konsequenz, dass diese erneut aufgelöst werden müsste [!]. Hierbei sind engen Grenzen [Grammatik können se nicht] zu ziehen, um das Versammlungs- sowie das Polizei- und Ordnungs[un]recht nicht zu unterlaufen. Eine neue Versammlung kommt insbesondere in Betracht, wenn sich der Protest nunmehr gegen die Beendigung durch den Versammlungsleiter an sich richtet (vgl. […]). Ob diese Voraussetzungen gegeben waren, wäre im Rahmen einer umfassenden Beweisaufnahme zu klären.“
Tja, das machen die jetzt aber also nicht, da angeblich „unübersichtlich“, „konkurrierende[ ] Rechtsgüter, „COVID19-Pandemie“ und: „Allein der Gang des Verfahrens reich[e] als Verwarnung aus.“
Ha, ihr „Lieben“, da habt ihr euch aber gewaltig geschnitten! Von so einem Verfahrensgang lassen wir uns nicht einschüchtern! Gerichte sind zum essen da, und wir kämpfen weiter gegen dieses Scheißsystem! C U, bis demnächst auf der Straße, Hand in Hand im Widerstand!
N.“
Danke für den Bericht, N.!